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  Z u s a m m e n f a s s u n g

 

der Vorlesung

 

O N T O L O G I E

 

 

Kap. 1:

 

A.  Inwiefern kann sinnvoll die Frage nach dem Seienden als Seiendes gestellt        

      werden?

 

Die Ontologie (Metaphysik, Erste Philosophie) ist mit dem Seienden als Seiendes (jI æ îI, ens qua ens) befaßt. Zur Abgrenzung dieser Wissenschaft reicht es nicht, wenn man als ihr Material­objekt oder jenen Gegenstandsbereich, der ihren Inhalt (ihre Materie) aus­macht, das Seiende angibt. Denn letztlich strebt jede Wissenschaft danach, das zu erfor­schen, was ist, d.h. was tatsächlich der Fall ist, und begnügt sich nicht mit dem Schein. Auch grenzt es die Ontologie nicht hinreichend ab, daß sie allein mit dem Seien­den ins­gesamt befaßt ist, während alle anderen Disziplinen nur einen Teilbereich behan­deln. Man kann nämlich sinnvoll auch Bereichsontologie annehmen. Die Ontologie ist somit da­durch gekennzeichnet, daß sie das Seiende auch zu ihrem Formalobjekt hat, daß sie ihren Gegenstand auch unter der Form oder unter dem Gesichtspunkt betrachtet, was ihn zu einem Seienden macht. Kann eine sinnvolle wissenschaftliche Fragestellung über­haupt so allgemein sein, nicht bloß den umfassendsten Gegenstandbereich zu behandeln, sondern diesen auch unter dem allgemeinsten Aspekt zu betrachten? Aristoteles kennt denn auch einen besonderen Gegenstand der Ersten Philosophie, Gott, der durch beide Merk­­male aus­­gezeichnet ist, selbständig (abgetrennt) für sich zu existieren und unverän­der­­lich zu sein. - Ferner: Ist eine allgemeine Untersuchung alles Seienden überhaupt mög­­lich, wo doch ‘seiend’ gar kein univoker (eindeutiger), sondern ein äquivoker (mehr­deutiger) Begriff ist? Nun ist dies aber keine pure Äquivokation, sondern das Se­i­en­de im Sinne der ak­zidentellen Kategorien (sekundäre Bedeutung) ist paronymisch oder ana­logisch auf das sub­stantiell Seiende oder selbständig existierende Einzelding (primä­re Be­deu­tung) bezo­gen. Dieses ist gemäß dem Unabhängigkeitskriterium seins- wie erkennt­nis­mäßig vorran­gig: Ein Einzelding kann unabhängig von dieser bestimmten Größe, Eigen­schaft usw. exi­stieren. Demgegenüber setzt eine Eigenschaft (z.B. eine Far­be) ein ganz bestimm­tes Sub­­jekt (Oberfläche) voraus, an dem allein sie auftreten kann und das so in ihrer Defini­ti­on verlangt. Veränderliche Substanzen sind nun aber nicht völlig autark, da sie einen Ur­sprung und ein Ziel ihrer Veränderungen voraussetzen. Völlig selbstgenüg­sam ist nur der sich selbst denkende Gott, dessen Leben in der nicht pro­zes­su­alen (sich nicht verän­dern­den) Tätigkeit des Denkens besteht. Indem die Erste Philo­so­phie dieses (gemäß dem Unabhängigkeitskriterium) höchste Seiende behandelt, betreibt sie zugleich allgemeine Ontologie. Denn bei der analogen Struktur sind die Merk­male des Seienden allgemein am primär Seienden zu erforschen, auf das alle anderen bezogen sind.

 

 

 

 

 

B. Inwiefern ist die Frage, warum es überhaupt etwas gibt, problematisch?

 

Noch grundlegender scheint die Frage zu sein, warum überhaupt etwas existiert und nicht vielmehr nichts. Diese Frage läßt sich indes nicht in der üblichen Weise im Sinne et­wa von Humes Ereigniskausalität klären, indem man das zu erklärende Ereignis oder den zu erklärenden Sachverhalt auf einen anderen ihm vorgeordneten zurückführt. Denn dann beginge man unausweichlich die petitio principii, daß man nicht durch etwas anderes erklärt, sondern in der Erklärung das zu Erklärende, nämlich daß überhaupt etwas exi­stiert, bereits voraussetzt. Leibniz versucht es daher nach dem Optimierungs­prinzip zu erklären, indem er den Möglichen ein Streben nach Existenz zuschreibt. Da ein Streben sich stets auf Gutes richtet, bedeutet dies, daß es besser ist zu existieren als nicht zu existieren. Da nicht alles in sich Mögliche mit anderen kompossibel ist, wird das Exi­stenz­streben möglichst weitgehend befriedigt, indem das Bestmögliche mit dem meisten positiven Sachgehalt zur Existenz gelangt. Problematisch ist indes, daß die Möglichen wohl nicht anders als in Gottes Gedanken gegeben sein können, Gottes Existenz voraus­zusetzen aber eine petitio principii bedeutet. Daher ist es wohl besser, die Existenz über­haupt nicht erklären zu wollen, sondern als nackte Tatsache einfach vorauszusetzen.

 

 

C. Die Substanzontologie

 

Die Substanzontologie entspricht am ehesten unserem natürlichen Bewußtsein. Daher spiegelt sie sich in der Subjekt-Prädikat-Struktur unserer Sprachen: So wie in der ele­men­­taren, singulären, d.h. der prädikativen Aussage demselben Subjekt unterschiedliche, ja (in bezug auf verschiedene Zeitpunkte) sogar widersprechende Bestimmungen zuge­schrieben werden können, bleibt das substantielle Einzelding während seiner Lebensdauer bei allem Wandel in seinen Eigenschaften im Kern dasselbe. Die trivial erscheinende Ana­lyse einer Aussage in Subjekt und Prädikat erweist sich bereits für Platon als erforderlich, um der sophistischen These zu begegnen, es sei unmöglich, Falsches zu sagen. Wer Fal­sches sagt, sage Nichtseiendes, d.h. etwas, was nicht (der Fall) ist. Wer Nichtseiendes sagt, sage gar nichts. Wer aber nichts sagt, spreche (angesichts der für eine Sprache wesent­lichen Mitteilungsfunktion) überhaupt nicht, sondern gebe bloß Laute von sich. - Falsches zu sagen, bedeutet nun aber nicht, seinen Gegenstand völlig zu verfehlen und so gar nichts zu sagen, sondern lediglich, ihn partiell zu verfehlen. Wir sprechen über Seien­des, d.h. beziehen uns erfolgreich auf ein wirkliches Einzelnes als Subjekt, täuschen uns aber in seinen Eigenschaften, sagen von ihm also Unzutreffendes (was nicht ist). Damit ich mich auch bei falschen Auffassungen erfolgreich auf ein Subjekt zu beziehen vermag, darf ich es nicht mit der Summe der begrifflichen Bestimmungen gleichsetzen, die von ihm wahr sind. Denn dann redete ich nicht mehr über dieses Subjekt, sowie ich mich über eine seiner Eigenschaften täusche. Dies führt zu der essentialistischen Unterscheidung we­sent­licher und beiläufiger Eigenschaften: Wer ein Subjekt dank seiner Wesenseigen­schaf­­ten, die für seine Identität konstitutiv sind und die ihm nicht verlorengehen dürfen, erfolgreich identifiziert hat, der kann sich unbeschadet in seinen beiläufigen täuschen. So wie zwischen einer Einzelsubstanz und ihren Akzidenzien, besteht auch zwischen den für die konstitutiven Wesenseigenschaften und den akzidentellen Bestimmungen ein einseiti­ges (asymmetrisches) Abhängigkeitsverhältnis. Das Wesen, d.h. die für eine bestimmte Art von Individuen charakteristische Struktur (genetische Information), die sie zu der art­­­­ty­pi­schen Tätigkeits- und Lebensweise disponiert, ist nicht vom Auftreten bestimmter akzi­denteller Eigenschaften abhängig. Diese haben hingegen eine ganz bestimmte Wesens­­­­struktur zu ihrer ermöglichenden Bedingung. Das in der Substanzontologie vor­aus­­ge­setzte Präformationssystem, daß sich die Sprachstrukturen nach den Denkstruk­turen richten und diese wiederum von den Realstrukturen abhängen, braucht nicht naiv die Tatsache zu leugnen, daß Sprache ein von Menschen geschaffenes Instrument ihrer Verständigung ist. Nur die Sprachen haben sich letztlich durchgesetzt, die in ihren Struk­turen der Realität angepaßt sind und sich daher zu einer Verständigung über sie als ge­eig­net erwiesen haben.

 

 

D. Logischer Atomismus und Ereignisontologie

 

Pragmatiker wie Quine sehen in der durch die Substanzontologie eröffneten Möglich­keit, uns zu verschiedenen Zeiten auf dasselbe Subjekt zu beziehen, freilich nur eine nützliche Fiktion, die die Verständigung verkürzt und damit erleichtert. - Da sich ein Subjekt, das sich im Wandel seiner Zustände kontinuierlich durchhält, nicht empirisch verifizieren läßt, betrachten die logischen Atomisten es als ein bloßes Konstrukt und gehen als eigentlich wirk­lich von den Momenteindrücken aus als dem, was unmittelbar und daher zweifelsfrei gege­ben ist. In diesem Sinne kann bereits der homo-mensura-Satz des Protagoras ver­standen werden, der Mensch sei das Maß aller Dinge, der Seienden, daß sie sind, und der Nichtseienden, daß sie nicht sind. Mit einem Seienden ist hier ein Sachverhalt gemeint, der im unmittelbaren Sinneseindruck des jeweiligen Augenblicks besteht, daß mir z.B. der Wein jetz gerade süß schmeckt. Während der Substanzontologe diese Aussage in den Wein als Subjekt und seine dispositionelle Eigenschaft, bei einem normalen Geschmacks­organ die Sinnesempfindung der Süße hervorzurufen, analysiert, betrachtet der logische Atomist den augenblicklichen Sinneseindruck als ein unanalysierbares Ganzes: ein logi­sches Individuum oder Atom (= Unteilbares). Wenn man freilich als eigentliche Wirklich­keit solche subjektiven Sinneseindrücke betrachtet, die einem Menschen nur aus der Innen­perspektive heraus zugänglich sind, und daher nur für ihn wahr sind, da ein anderer von einem Außenstandpunkt sie nicht als falsch zu erweisen vermag, so führt dies zu einem Wahrheitsrelativismus. - Wenn wir statt subjektiver Bewußtseinszustände Sach­ver­­halte der raumzeitlichen Welt zugrundelegen, so können wir diese nicht als momentan an­nehmen. Zwar erlaubt Newtons Physik mittels des Differentialquotienten eine Moment­­­geschwindigkeit zu ermitteln, aber nur bei der homogenen Ortsveränderung. Die meisten Veränderungsvorgänge sind inhomogen, bauen sich mithin aus einer Sukzession verschiedener Phasen auf und sind so für einen Zeitverlauf definiert. Die Substanzontolo­gie geht von Körpern aus, die sich nur aus räumlichen Teilen aufbauen, die aber in jedem Augenblick ihrer (zeitlichen) Existenz ganz sind und daher keine zeitlichen Teile haben. Ein Ereignis ist dagegen in keinem Augenblick seines Verlaufes ganz gegeben, sondern voll­endet sich erst durch die Aufeinanderfolge seiner sämtlichen zeitlichen Teile. Während ein atomarer Sachverhalt eindeutig abgegrenzt ist, ist es schwierig, Ereignisse zu individuieren. Da ein Ereignis unterbrochen sein kann, ist raumzeitliche Kontinuität keine notwendige Bedingung der Einheit. Vielleicht können trotz raumzeitlicher Konti­nu­ität umgekehrt zwei Ereignisse vorliegen, wenn sich die Absicht fundamental ändert.

 

 

E. Der Holismus: Beliebigkeit aller Momente innerhalb des Systems

 

Ein Holismus betrachtet das Gesamtsystem, sei es von Entitäten (ontologischer Holis­mus), sei es von intentionalen Phänomenen wie Annahmen oder Bedeutungen (epistemo­logischer Holismus) als die einzige genuine Einheit. Da dieses System eine innere Struk­tur hat, muß es auch Teile haben. Diese sind aber keine selbständigen, relativ dauerhaf­ten, in sich oder von der Sache her abgegrenzten Einheiten, sondern bloße Momente, die in durchgängigen Wechselbeziehungen zu allen anderen Momenten des Systems stehen. Daher hat eine Änderung in einem Moment Auswirkungen auf das Gesamtsystem, so wie je­des Moment seinerseits den Zustand des Ganzen spiegelt. So grenzen sich die Momen­te stets neu gegeneinander ab, konstituieren sich immer neu in Relation zu den anderen. - So kommt für den Bedeutungsholisten einem Terminus eine Bedeutung nicht isoliert zu, sondern nur im gesamten Kontext seines Gebrauchs.Weil das System der durchgängig mit­einander verknüpften Überzeugungen niemals bei zwei Menschen genau dasselbe ist, ja sich sogar bei ein und demselben Menschen mit jeder neuen Erfahrung wandelt, bedeu­tet ein Terminus bei keinen zwei Verwendungen genau dasselbe. Der empiristischen Dicho­­to­­mie von Tatsachenaussagen, die angesichts widerstreitender Erfahrungen zu revi­dieren sind, und logisch-mathematischen Gesetzen, die unter allen Umständen gültig blei­ben, stellt Quine die holistische Überzeugung entgegen: Innerhalb einer Theorie ist jede Aus­sage beliebig und steht zur Disposition, selbst die fundamentalsten logischen Gesetze können bei entsprechend umfangreichen Anpassungen aufgegeben werden, so wie umge­kehrt bei den erforderlichen Revisionen des Systems auch jede Aussage auf­recht­zu­erhal­ten ist. Allein aus pragmatischen Aspekten der Denkökonomie heraus genie­ßen man­che Aus­­sagen faktisch Unrevidierbarkeit. Entsprechend ist es für den ontologi­schen Holis­mus lediglich eine pragmatische Konvention um der leichteren Verständigung willen, dau­er­hafte Einheiten anzunehmen.

 

 

F. Substanzontologie: Das Wesen als das aus sich heraus Bestimmte garantiert

                                     semantische Eindeutigkeit.

 

Aristoteles rechtfertigt den Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch durch das Prinzip der semantischen Eindeutigkeit: Ein Ausdruck muß (als die unerläßliche Voraussetzung eines Mitteilens oder Feststellens) wenn nicht eindeutig sein, so doch eine begrenzte Viel­­­zahl von Bedeutungen haben, die sich grundsätzlich auf die Eindeutigkeit zurückfüh­ren läßt. Aus einem Widerspruch aber folgt beliebig vieles. Diese Eindeutigkeit muß ih­rer­­seits durch die Eindeutigkeit des Wesens ontologisch fundiert werden. Auf die Frage, was für etwas wesentlich ist, ist nur eine Antwort, der Artbegriff (z.B. Mensch) mög­lich. Die Explikation dessen, was es bedeutet, Mensch zu sein, ist seinerseits eindeutig. Die Ak­zi­denzien demgegenüber gehören dem Bestimmten an: Es läßt sich beliebig ver­meh­ren, was einem Subjekt bloß faktisch zukommt. Als Bestimmungen verschieden vom Art­begriff ‘Mensch’ sind diese Akzidenzien unter ‘Nicht-Mensch’ zu subsumieren. Auch wenn es von Sokrates folglich wahr ist, daß er auch Nicht-Mensch ist, darf man dies auf die Frage, ob er Mensch sei, nicht antworten. Denn da keinem der Akzidenzien ein Vor­zug gebührt, vereitelte ihre beliebig zu vermehrende Zahl die Verständigung. Gegenüber den Akzidenzien als dem Unbegrenzten ist das Wesen Grenze (L±MÑ), also ein Begren­zendes. Die Înd als konkretes Einzelding ist deshalb etwas Begrenztes, Bestimmtes, weil sie mit der Înd als Form das Prinzip der Begrenzung in sich hat. Nur das aus sich heraus Begrenzte kann eine feste Identität haben. Begrenzungen von außen, durch Bezug auf anderes sind hingegen in stetem Fluß. Für den Holismus Spinozas ist das Allum­fassende, Unendliche, Unbegrenzte das Ursprüngliche. Bestimmtheit entsteht daraus erst nachträglich durch Negation (Einschränkung als partielle Negation). Für Aristoteles dem­gegenüber ist die Înd als ein endlicher, aus sich heraus bestimmter und begrenzter In­halt ursprünglich. Weil ein solcher Inhalt ursprünglich von jedem anderen gleichgeordne­ten Inhalt abgegrenzt ist, läßt sich daraus umgekehrt die Negation gewinnen: das eine ist nicht das andere (Mensch ist nicht Pferd usw.). - Die Înd als Maßstab und Bezugs­punkt für Akzidenzien verhindert, daß in diesem Bereich völlige Beliebigkeit herrscht. Deshalb kommt ein Akzidens keinem Akzidens zu, weil es völlig beliebig wäre, welche Akzidenzien zusammen auftreten; vielmehr müssen die Akzidenzien auf die Substanz als die grundlegende Bestimmtheit bezogen werden, die den Maßstab dafür darstellt, welche Bestimmungen bei einem derartigen Einzelnen auftreten können.

 

 

G. Spinozas Holismus

 

Neben der These von der Abgrenzung durch die Form oder einen aus sich heraus be­grenz­ten begrifflichen Inhalt gibt es die von den Atomisten vertretene These von der Ab­gren­zung durch den leeren Raum, der die beiden zentralen Funktionen der Indivi­du­a­tion hat: Trotz eines internen Aufbaus aus Elementen schafft das Fehlen eines leeren Raumes im Inneren Atome, d.h. real unteilbare Einheiten. Nach außen werden diese durch ein Vaku­­um voneinander abgegrenzt. Indem Spinoza angesichts von Descartes’ Gleichset­zung von räumlicher Ausdehnung und Körperlichkeit einen nicht materieerfüll­ten Raum von vornherein ausschloß, versuchte er in einer reductio ad absurdum den Ho­lismus zu begründen: Bei der gegenteiligen Annahme, es gebe eigenständige Teile, die sich ändern, ja verschwinden können, ohne daß das Gesamtsystem dies kompensieren müßte, wäre... die Absurdität eines Vakuums nicht auszuschließen. Der so für die Kör­per­welt begründe­te Holismus läßt sich wohl zu einem allgemeinen ontologischen Holis­mus ausweiten, da die beiden Attribute: Denken und Ausdehnung (Körperlichkeit) nicht zwei Teilbereiche der Wirklichkeit, sondern die gesamte Wirklichkeit jeweils unter einem besonderen Inhalts­aspekt meinen. Daher kommen auch der Körperwelt die Merkmale des Ganzen zu, einzig, unendlich, ewig und unteilbar zu sein. Spinoza will hier sicher nicht die Erfah­rungs­tatsache bestreiten, daß sich Körper zerteilen lassen. Nur bestreitet er, daß es inner­halb des Ganzen Abgrenzungen (Abteilungen) gibt, die ein und für allemal abge­grenzte Einheiten schaffen, d.h. solche, die auch in Wechselbeziehungen unterschieden und erhal­ten bleiben. Abgrenzungen bilden sich vielmehr bei jeder Änderung im Ganzen stets neu. Die festen Abgrenzungen, die wir faktisch vollziehen, sind für einen Holisten da­her nur prag­matisch zu rechtfertigen, daß irgendwelche Festsetzungen zur Verständi­gung uner­läßlich und diese bestimmten hier optimal sind. Dies widerspricht nicht Spino­zas Nezessi­ta­rismus. Der holistische Ansatz schließt lediglich aus, daß es innerhalb des Ge­­samt­systems sachlich zwingende Abgrenzungen gibt. Offen bleibt der Status des Ge­samt­systems. Bei einem Holismus bezüglich intentionaler Phänomene legt sich nahe: Da die Theorie oder Gesamtheit der Überzeugungen einer Person weder notwendig ist, son­dern Alternativen zuläßt, noch theorieübergreifende rationale Kriterien bestehen, nach denen zwischen Theorien entschieden werden kann, ist die vertretene Theorie letztlich Sache einer willkürlichen Dezision. Spinoza kann jedoch konsistent in seinem ontologi­schen Holis­mus das Gesamte als notwendig erklären und mit Gott als dem Absoluten gleich­setzen. - Das Einzelne innerhalb der Welt behandelt er indes als beliebig unter bei­den von ihm betrachteten Attributen. Innerhalb der Philosophie der Natur lehnt er die Te­le­ologie ab, die für Aristoteles bedeutet: Naturprozesse sind genau geregelt im Hin­blick auf die Form, die als ihr Ziel zu verwirklichen ist. In der Philosophie des Geistes vertritt er einen Werterelativismus. Die Freiheit, daß der Mensch kraft seiner Vernunft als dem wahren Innen die Außenwelt durchdringt und aktiv wirkend beherrscht, statt sich durch un­be­herrschte Leidenschaften von Äußerem bestimmen zu lassen, ist angesichts der flie­ßen­den Grenzen zwischen Außen und Innen bloß relativ. Die absolute Freiheit erreicht der Mensch erst, wenn er sich mit dem Absoluten vereinigt, außerhalb dessen nichts mehr ist.

 

H. Gelingt Leibniz in seiner Monadenlehre eine Synthese von Substanzontologie

     und Holismus?

 

Leibniz beansprucht, eine Synthese gestiftet zu haben: Wie Aristoteles nimmt er eine Plu­ra­lität von Individuen an, die durch die Form, d.hl inhaltlich qualitative Merkmale, von je­dem anderen Individuum abgesondert sind, postuliert also über Aristoteles hinaus einen vollständigen Individualbegriff. Holistisch betrachtet er aber die Monade als leben­digen Spie­gel des Universums. Anders als Aristoteles verlangt er als Kriterium der Sub­stantia­li­tät nämlich nicht bloß das Abgegrenztsein aus einen inneren Prinzip heraus, son­dern eine völ­lige seins- und erkenntnismäßige Unabhängigkeit. Nach Spinoza kann kein in Wech­sel­wirkungen eingebundenes innerweltlich Seiendes dieses Kriterium erfüllen, sondern nur das Ganze, das als causa sui seine Existenz aus sich selbst heraus hat. Da Leibniz die­ses Kriterium auf innerweltliche Substanzen anwendet, muß er jegliche kausa­le Interakti­on zwischen ihnen abstreiten. Jede Monade bringt die gesamt Abfolge ihrer Vorstellun­gen (Perzeptionen) aus dem eigenen Inneren hervor. Die unbestreitbare Über­einstim­mung der Perzeptionen verschiedener Monaden untereinander kann er dann nur so erklä­ren, daß Gott jeder Monade von vornherein ihr Programm im Hinblick auf andere festge­legt hat (prästabilierte Harmonie). Damit können die Monaden gemäß dem Unab­hängig­keits­kriterium Gott gegenüber, von dem sie real abhängen, keine Substanzen sein. Damit gewährleistet ist, daß voneinander unabhängige Individuen doch harmonieren, müssen sie in ihren Vorstellungen dasselbe Ganze wiedergeben. Ihre Individualität kann nur in einer besonderen Individualperspektive begründet liegen, daß sie nur einen ver­schie­­denen klei­nen Ausschnitt des Gesamten klar und deutlich erfassen und von da aus alles übrige re­prä­sentieren. Die bleibende Endlichkeit, daß die Sichtweisen aller Substan­zen außer Gott be­schränkt bleiben, soll eine Vielheit unterschiedener Individuen gewähr­leisten. Gegen­über der ursprünglichen Endlichkeit des Inhalts einer Înd bei Aristote­les ist für den frühneuzeitlichen Rationalismus aber das Allumfassende, Unbegrenzte, Unendliche ur­­sprüng­­lich. Endliches kkommt hiernach nur sekundär durch mannigfaltige Einschrän­kun­gen des Unendlichen zustande. Damit sind die Monaden für Leibniz doch wohl nur in einem holistischen Verständnis beschränkte Arten (Modi), wie das Ganze in diesem meta­phy­sischen Punkt repräsentiert ist. So vertrat Leibniz klar die These, alles hänge mit allem zusammen, jede Änderung in einem Teil habe Auswirkungen auf das Ganze, so wie umgekehrt das Einzelne den Zustand des Ganzen widerspiegele - eine unmittelbare Kon­se­­quenz der holistischen Grundannahme, das Einzelne sei nur eine be­son­dere, einge­schränk­te Gegebenheitsweise des Ganzen. Eine Zwischenposition ist wohl nicht möglich, auch nicht in der Form, daß eine übergeordnete Instanz wesentlich selb­ständige Einzelne ko­or­diniert. Da ein Substantialismus kausale Interaktionen zwi­schen inhaltlich voneinan­der abgegrenzten Substanzen nicht ausschließt, kann dies auch in der speziellen Form eines Koordinierens geschehen.

 

 

Der ontologische Individualholismus

 

Nicht-ontologische Holismen nehmen auch innerhalb des Universums eine Pluralität ho­listischer Systeme an: ein Sprachspiel, in dessen Rahmen allein sprachlichen Ausdrücken Bedeutung zukommt, eine soziale Gemeinschaft, in deren Rahmen allein Menschen in bestimmter Weise denken, oder eine Theorie, in deren Rahmen allein einzelne Aussagen bestätigt oder verworfen werden können. Bei einer Theorie kann das holistische System auf eine Person beschränkt werden. Wenn man Überzeugungen nicht für sich, sondern als Eigenschaften einer Person betrachtet und den emotionalen Eigenschaften (z.B. bestimm­te Empfindungen zu haben) denselben Status einräumt wie den kognitiven (z.B. Ansichten haben) und angesichts der psychophysischen Wechselwirkungen auch die kör­perlichen Eigenschaften einbezieht, so kann die Einzelperson als ein holistisches System aufgefaßt werden. Dies trägt insofern zur Individuation bei, als hiernach die Eigenschaf­ten einer Einzelperson nicht mehr Exemplifikationen inhaltlich allgemeiner Eigenschaften, sondern aus sich heraus durch ihren Inhalt individuell sind. Eine Verständigung braucht dadurch nicht gefährdet zu sein, daß zwei Personen hiernach niemals genau dieselben Überzeugungen haben können. Auch ohne Univozität (Bedeutungsgleichheit) herrscht nicht sogleich nackte Äquivozität (Bedeutungsverschiedenheit), so daß sie aneinander vor­beireden müssen. Vielmehr können einander entsprechende (analoge) Bedeutungen Ver­ständigung ermöglichen. Während für den Universalholismus der Einzelmensch not­wendig durch seine Beziehungen und Wechselwirkungen mit dem Systemganzen außen­bestimmt ist, braucht auch der Individualholismus reale Wechselwirkungen mit der Außen­welt nicht zu bestreiten. Er muß aber annehmen, daß der Einzelne körperliche wie geistige Einwirkungen nicht einfach unverändert aufnimmt und sich rein passiv von ihnen beeinflussen läßt, sondern sie vielmehr aktiv sich anverwandelt, sie dem neuen Kontext anpaßt, z.B. Auffassungen angesichts seiner bisherigen Überzeugungen modifiziert.

 

 

Kap. 2: Grundbegriffe der Ontologie:

              Existenz kann informativ nicht von Einzelnen, sondern nur von Begriffen

              ausgesagt werden.

 

‘Ist’ wird im dreifachen Sinne gebraucht: 1.) absolut für die Existenz; 2.) für die Identi­tät, um Bedeutungsgleichheit (Synonymie) oder wenigstens Umfangsgleichheit (Exten­si­onsgleichheit) von Subjekt und Prädikat zu bezeichnen, und 3.) in der prädikativen Aus­sa­­ge als Kopula, um auszudrücken, daß ein Einzelfall unter einem Begriff zu subsumie­ren oder ein speziellerer einem allgemeineren Begriff zu subordinieren ist. - Obgleich im Voll­­sinn nur Individuen existieren, läßt sich Existenz offenbar nicht informativ von Indi­vi­duen aussagen. Denn die Voraussetzung dafür, daß eine Aussage für einen Wahrheits­wert in Frage akommt, ist offenbar, daß sie mit einem Wahrheitsanspruch erhoben wird, daß mithin die in ihr auftretenden Eigennamen nicht fiktiv sind, sondern sich auf ein wirk­li­­­ches Individuum beziehen. Von einem solchen Eigennamen die Existenz zu prädizieren, ist trivial. Umgekehrt wäre es widersprüchlilch, die Existenz, die im Subjekt vorausge­setzt werden muß, im Prädikat wieder zu negieren. Nicht glücklich ist es, Existenzaussa­gen über Individuen sinngemäß als die informative metasprachlichen Aussage aufzu­fas­sen, der Eigenname habe Referenz, denn bei einem Eigennamen mit mehrfacher Refe­renz in­ter­essiert nicht, ob er überhaupt Referenz hat, sondern ob ein so und so beschrie­be­nes Indi­viduum existiert. Ein Begriff demgegenüber braucht nicht zwingend im Aus­gang von Ein­­zelnen durch Abstraktion gebildet zu werden, sondern ein Physiker z.B. kann den Be­griff eines Teilchens allein auf Grund der Merkmale bilden, die dazu erfor­der­­lich sind, um beobachtete Phänomene zu erklären. Während diese Merkmale analy­tisch und daher notwendig im Begriff enthalten sind, ist es eine synthetische Aussage, die neu­er Nachfor­schungen bedarf, daß dieser durch seine Merkmale definierte Begriff tat­sächlich auf Ein­zelne zutrifft. Während die Inhaltsmerkmale eines Begriffs (nach Frege) Eigenschaften der unter diesen Begriff fallenden Einzelnen sind und gleichsam die Bedin­gun­­gen dafür dar­stellen, daß ein Einzelnes den Begriff erfüllt, können die dem Begriff äu­­­­­­­­­­­-ßerlichen Ei­gen­schaften wie Zahlenangaben oder ‘selten’ ausschließlich vom Begriff aus­ge­sagt wer­den und machen hier eine Aussage über die (relative) Häufigkeit, mit der die­ser Be­griff auftritt. In diesem Sinn sagt auch ‘existiert’ von einem Begriff aus, daß er min­destens ein­mal exemplifiziert ist, auf wenigstens ein Individuum zutrifft. Auch Exi­stenz­aussagen über Individuen lassen sich so erklären. Zumal wenn fraglich ist, ob ein be­stimm­tes Indi­vi­duum existiert (hat), geht es darum, ob die einschlägige definite Beschrei­bung erfüllt ist. Normalerweise ist ein Begriff indifferent dazu, ob er auf viele, wenige, ein oder gar kein Individuum zutrifft. Es gibt aber auch den Sonderfall, daß ein Begriff als Bedingung enthält, daß er auf nur ein Individuum zutreffen kann. Auch hier geht die Exi­stenzaus­sage indes über den Begriff hinaus, daß er tatsächlich auf ein Individuum zutrifft.

 

 

B. Defizite des ausschließlichen Verständnisses von Existenz als Begriffseigenschaft

 

Durch diese Konzeption wird Existenz relativ. Nach Quine läßt sich nicht sinnvoll die (zu unbestimmte) Frage stellen, was überhaupt existiert oder worin das Existieren besteht, sondern bloß relativ auf eine bestimmte Theorie, was diese als existierend anerkennt, was sie als ihren Gegenstands- oder Individuenbereich zugrundelegt. Gemäß seinem Diktum „To be is to be the worth of a bound variable“ versucht Quine die Existenzvoraussetzun­gen der jeweiligen Theorie an der quantifizierten Standardfassung zu überprüfen: $x (Mx). Die Formel besagt: Der Begriff Mensch (M) existiert, weil es zumindest ein x gibt, das die Aussage Mx (x ist ein Mensch) wahrmacht. Die Existenzvoraussetzungen einer Theorie lassen sich mithin daran ablesen, was sie als Werte der durch einen Quantor gebun­denen Variablen (x) einsetzt, um zu prüfen, ob die quantifizierte Aussage (Mx) wahr wird. Werte sind nicht die für ein x eingesetzten bestimmten Ausdrücke, sondern die hierdurch bezeichneten Entitäten. - Durch diese Konzeption wird die Existenzfrage aber nicht beantwortet, sondern nur verschoben. Daß Begriffe ungesättigt (ergänzungs­bedürftig) sind, besagt nämlich: Da Begriffe kraft ihrer Merkmale lediglich Bedingungen stellen, sind sie auf die Ergänzung durch Einzelfälle verwiesen, die diese Bedingungen erfüllen. Die Frage nach der Existenz eines Begriffs reduziert sich damit auf die Frage, ob Individuen existieren, die ihn erfüllen. Dennoch können innerhalb einer Theorie keine in­formativen (nicht trivialen) Existenzaussagen über Individuen formuliert werden. Denn als Voraussetzung, daß innerhalb einer Theoire wahrheitsfähige Aussagen gemacht wer­den können, muß bereits gesichert sein, daß die Eigennamen ein existierendes Individu­um bezeichnen oder muß (bei der Quantorendeutung) der Gegenstandsbereich (Individu­enbereich, universe of discourse) bereits festliegen, über den quantifiziert werden darf. Da innerhalb einer Theorie Aussagen nur über das gemacht werden können, was zu ihrem Gegenstandsbereich gehört, ist die Existenz ipso facto garantiert. Dennoch ist es keineswegs trivial, welche Entitäten zum Gegenstandsbereich einer Theorie gehören sollen. Ein weiteres Defizit ist: Da ein Begriff wesentlich unzeitlich ist, geht es hier bloß um die Alternative, ob es überhaupt Individuen einer Art gegeben hat oder gar keine. Es kann aber durchaus wissenschaftlich bemerkenswert sein festzustellen, daß irgendwann in der Vergangenheit Exemplare einer Art gelebt haben, jetzt aber nicht mehr existieren.

 

 

C. Existenz als Aktualität oder als die für die jeweilige Art charakteristische

     Existenzweise

 

Ergänzend führt man einen anderen Begriff von Existenz im Sinne der Aktualität ein. Hiernach ist Existieren gegenwärtig (aktuell) und ist im aktiven Sinne als ein Tätig- oder Wirksamsein, als ein Eingebundensein in kausale Wechselbeziehungen zu verstehen. Die Annahme von Wirksamkeit überhaupt ist indes nocht nicht ausreichend. Auch ein Leich­nam fällt nicht völlig aus dem kausalen Wirkzusammenhang des Universums heraus. Dennoch existiert das entsprechende Lebewesen nicht mehr, weil es nicht zu der für diese Art charakteristischen Lebens- oder Wirkweise fähig ist. Während der Existenz­quantor (aus sich heraus inhaltsleer) rein formal gleichermaßen bei jedem Begriff besagt, er sei exemplifiziert, bestimmt beim aktiven Existenzverständnis der Begriff der arttypi­schen Existenzweise den Inhalt des Existierens selbst, so daß dieses hier nur Analoges bedeutet. Als ein inhaltlich gefülltes Tätigsein kann dieses Existieren logisch einwandfrei Individuen zugeschrieben werden. Selbst wenn der jeweils spezifische Inhalt des Existie­rens analytisch im Subjekt eingeschlossen ist, so liegt jedenfalls darin eine Information, daß diese Wirksamkeit zum jetzigen Zeitpunkt stattfindet. - Eine charakteristische Wirk­samkeit kann man nicht bloß Körperdingen zuschreiben, so daß der aktive Existenzbe­griff naturalistisch auf Körperliches eingeschränkt wäre, die allein in das Kausalnetz ein­gebunden sind. In seiner These, Gott zeichne sich vor allen Geschöpfen dadurch aus, daß allein bei ihm Essenz und Existenz zusammenfallen, kann Thomas von Aquin nicht das Existieren im Sinne des Existenzquantors meinen, das in jedem Fall über den Begriff oder die Essenz hinausgeht. Die Essenz ist der Inhalt oder das Modell einer Existenz als bloße Möglichkeit. Damit ist das Existieren als Verwirklichung dieser Möglichkeit das inhalt­lich bestimmte Existieren, das bei Gott sicherlich keine kausale Wirksamkeit in Raum und Zeit darstellt. Während man im ‘es-gibt’-Sinn auch von Mangelerscheinungen sagt, sie seien, verlangt der aktive Sinn eine positive Wirklichkeit, so daß sie hier ein Nichtsein bedeuten.

 

 

D. Modalitäten de dicto und de re

 

Die alethischen Modalitäten, als besondere Arten (Modi), wahr oder falsch zu sein, be­zie­­hen sich zunächst einmal auf Aussagen oder ihren Aussageinhalt (propositionalen Ge­halt) und modifizieren deren Wahrheitswert. Eine notwendig wahre Aussage muß un­ter allen Umständen wahr sein, kann gar nicht falsch sein. Kontingenz demgegenüber drückt aus, das das faktisch Wahre nicht hätte wahr zu sein brauchen. Einzelereignisse der phy­si­schen Wirklichkeit hätten nicht so zu geschehen brauchen. Aber auch das, was kraft fak­tisch ausnahmslos geltender unverbrüchlicher Naturgesetze naturnotwendig ist, kann im logischen Sinne kontingent sein. Entsprechend fragen wir bei faktisch falschen Aus­sagen, ob sie dennoch möglich oder von vornherein unmöglich sind. Da die nächstlie­gen­den Beispiele für Notwendigkeit und Unmöglichkeit (= notwendige Falschheit) der Logik und Mathematik entstammen, legt sich die Auffassung des logischen Positivismus oder Em­pirismus nahe: Notwendigkeit und Unmöglichkeit beziehen sich niemals auf die Wirk­lichkeit selbst, sondern gründen stets in der Art und Weise, wie wir über die Wirk­lich­keit denken und sprechen, in Begriffsbeziehungen (relations of ideas / Hume). Die Tra­di­tion dem­gegenüber hat durchaus ontologisch Gottes notwendige Existenz vom kon­­tingenten Da­sein der Geschöpfe unterschieden. Ferner unterschied sie die ihrem Sub­jekt notwendig zukommenden Wesenseigenschaften, ohne die ein Individuum nicht hätte exi­stieren kön­nen oder als dasselbe forzubestehen vermag, von den kontingent zu­kommenden akziden­tellen Eigenschaften, die ein Individuum unbeschadet seiner Identität verlieren kann, oder ohne die es hätte existieren können, auch wenn sie ihm faktisch dauernd zukommen. - Not­wendig wahr sind für die Positivisten nur analytische Urteile, die uns keinerlei Mittei­lun­gen über die Wirklichkeit machen. Denn jene Kenntnis der Be­deutungen der Termini, des Gebrauchs logischer Gesetze und mathematischer Symbole, die vorauszusetzen ist, da­mit wir überhaupt sinnvoll eine Aussage machen können, garantiert bereits deren Wahr­heit. Sie werden a priori gewußt. Informative synthetische Aussagen seien dagegen nur a posteriori festzustellen und beträfen kontingente Erfah­rungstatsachen. - Bei einer modalitas de dicto kann man kritisch fragen: Können die definitorischen Merkmale der Ter­mini, die auf willkürlichen Konventionen beruhen, eine notwendige Wahrheit garan­tie­ren? Modalisiert wird hier aber nicht die Aussage als konkretes Sprachgebilde, son­dern der von ihr gemeinte Aussageinhalt (dictum propositi­onis), bei dem es konstante, notwendige Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Begriffsgehalten gibt, unge­ach­tet der konventionellen von Sprache zu Sprache verschie­denen Bezeichnungen. Lehnen wir Bedeutungen ab, so können wir alternativ argumentie­ren: Zunächst sind wir frei, wie wir die Gebrauchsweise der Wörter einführen. Vorausge­setzt aber sie sind in bestimmter Weise eingeführt, ist es im Hinblick auf die Verständi­gung hypothetisch not­wen­dig, daß jeder Sprecher bestimmte Zusammenhänge anerkennt (z.B. daß ‘Körper’ ‘ausgedehnt’ einschließt). - Die Berechtigung der weit umstritteneren modalitas de re kann man sich im Ausgang vom Substitutionsprinzip klarmachen. Da Iden­tisches in allen Eigenschaften übereinstimmen muß, lassen sich verschiedene Be­zeich­­nun­gen von Identi­schem in allen Kontexten unbeschadet der Wahrheit durch ein­an­der ersetzen. Diese Er­setz­barkeit salva veritate ist in referentiell dunklen Kontexten nicht gegeben. In Aussa­gen, die von epistemischen Ausdrücken (z.B. ‘glauben’), aber auch Modaloperatoren abhängen, kommt es nämlich nicht bloß auf die Referenz an, wel­ches Individuum bezeich­net wird. Da eine Notwendigkeit de dicto im Sinn der Aussage be­gründet liegt, kann ich hier nicht ohne weiteres einen Ausdruck durch einen anderen glei­cher Referenz, aber verschiedenen Sinnes ersetzen. Aus der wahren Aussage ‘Es ist not­wen­dig, daß neun größer ist als sieben’ kann eine Substitution eine falsche machen: ‘Es ist notwendig, daß die Zahl der Planeten größer als sieben ist.’ Denn im Sinn der Teil­aussage liegt, daß es ein kontingentes Faktum ist. Die Ersetzbarkeit kann jedoch wie­der­hergestellt werden, indem man den zu ersetzenden Ausdruck aus dem referentiell dunklen Kontext heraus­nimmt: ...’glaubt von a, daß er ...’. Entsprechend kommt der Zahl, die faktisch (kontin­gen­terweise) die Planeten zählt, als Zahl notwendig zu, größer als sieben zu sein. Da sich die überzeugendsten Beispiele von Eigenschaften, die der Sache notwendig sind, bei ab­strak­ten mathematischen Gegenständen finden, fragt man sich, ob hier genuine, sachbe­gründete Modalitäten vorliegen, oder ob die Notwendigkeit de re doch nur auf unserem Operieren mit mathematischen Symbolen beruht und sich von der de dicto Modalität nur durch die Reichweite des Operators unterscheidet. - Die be­merkenswertesten Wesens­eigen­schaften kommen einem Individuum nicht als Individuum, sondern kraft seiner Art­zu­gehörigkeit zu. ‘9 > 7’ ist notwendig, weil die natürlichen Zah­len (als Art) die Eigen­tüm­lichkeit haben, Reihen zu bilden, in denen jedes Glied ein un­ver­rückbar feststehendes Verhältnis zu den anderen hat. Trivial wesentlich demgegen­über sind solche Eigenschaf­ten wie ‘mit sich selbst identisch’ oder logisch wahre Eigen­schaften, die auf schlechthin jedes Einzelne zutreffen und es daher nicht auszuzeichnen oder unterscheidend zu charak­te­ri­sieren vermögen. Das andere Extrem sind die individu­ellen Eigentümlichkeiten, die z.B. einen Menschen vor seinen Artgenossen auszeichnen. Am ehesten scheint die per­sönliche Eigenart in Betätigungen begründet zu liegen, die den ganzen Lebensinhalt eines Menschen ausmachen. Aber trotz ihrer Bedeutsamkeit sind sie nicht im ontolo­gischen Sinne wesentlich, weil sie nicht für das (Fort-)existieren als dieses Individuum konstitutiv sind. Bei einem anderen sozialen Umfeld hätte ein Mensch nicht zu dieser Tätigkeit gefunden, ja er kann sie auch faktisch aufgeben. - Erwägenswert ist die Annah­me eines Individualwesens: Alle Eigenschaften zusammen in dieser einmaligen Konstella­tion machen die Individualessenz aus, die grundsätzlich keinem anderen Indivi­duum zu­kom­men kann. Leibniz zieht klar die deterministischen Schlußfolgerungen dieses Ansatzes: Wäre eine noch so unbedeutend erscheinende Einzelheit im Leben anderes ge­wesen, dann wäre es nicht mehr dasselbe Individuum. Nur mein Gegenstück (nicht ich) hätte an der entsprechenden Stelle anders handeln können. Die Position zwischen einem solchen Überessentialismus, für den alles letztlich wesentlich ist, und einem Antiessentia­lis­mus, der nur trivial notwendige Eigenschaften anerkennt, darf nur einige Eigenschaften als schlechthin unerläßlich für die Identität eines Individuums betrachten. Hierzu kom­men aber wohl keine individuellen Eigentümlichkeiten in Frage. Wenn einem Einzel­nen nun aber Eigenschaften nur insoweit notwendig sind, als man es unter einen bestimm­ten Art- oder Gattungsbegriff subsumiert (als Mensch ist es notwendig vernunft­begabt, als Körper ausgedehnt), ist die essentialistische Vorstellung dann nicht doch absurd, einem Individuum seien bestimmte Eigenschaften an sich notwendig, wo doch ganz verschie­dene Bestimmungen analytisch (notwendig) folgen, je nachdem unter welchem Begriff man das Einzelne betrachtet? Auch wenn aus der sortalen Klassifikation als Junggeselle ebenso notwendig ‘unverheiratet’ folgt, wie der Sortalbegriff ‘Mensch’ notwendig ‘ver­nunftbegabt’ einschließt, ist doch gemäß unseren alltäglichen modalen Intuitionen nur die grundsätzliche Vernunftbegabtheit dem Individuum selbst wesentlich, so daß sein Fortbe­stand davon abhängt. Der Grund hierfür liegt darin, daß die Sortalbegriffe keineswegs gleichwertig sind, wie Quines Essentialismuskritik in einer Art petitio principii unterstellt: Nur die Bestimmungen, die aus einem substantiellen Sortalbegriff (von einer substanti­el­len Art oder Gattung) folgen, sind dem Individuum selbst wesentlich, nicht dagegen wenn eine Bestimmung wie ‘unverheiratet’ sich aus der akzidentellen Komponente eines Sortalbegriffs ergibt. !!!

 

 

E. Die Rede von möglichen Welten

 

Die Konzeption möglicher Welten liefert uns keine unabhängige Definition der Modalitä­ten, weil der Modalbegriff der Möglichkeit bereits vorausgesetzt ist, und löst keine Prob­leme der Modallogie, liefert uns aber einen angemessenen Rahmen, innerhalb dessen be­stimmte Zusammenhänge der Modallogik transparenter werden. Zur vollständigen Unter­suchung der Wahrheitsbedingungen müssen wir auch fragen, ob es Umstände gibt, unter denen eine faktisch wahre (oder falsche) Aussage umgekehrt falsch (bzw. wahr) hätte sein können oder ob sie unter allen Umständen wahr (falsch) ist. Auch wenn wir als Wahrheitsbedingungen normalerweise nur einen relevanten Ausschnitt der Welt betrach­ten, ist es (zumal bei Leibniz’ Annahme eines universalen Zusammenhangs) berechtigt, eine Welt als maximal konsistenten Sachverhalt zugrundezulegen, der jeden anderen we­niger komplexen Sachverhalt entweder ein- oder ausschließt. Diese Redeweise gestattet den Unterschied einer Modalität de dicto und de re intuitiv klarzumachen. Während eine de dicto notwendige Aussage absolut notwendig oder in allen möglichen Welten wahr ist, kommt eine de re notwendige Eigenschaft ihrem Subjekt nicht in schlechthin allen Welten zu, da ein kontingentes Individuum nicht unter allen möglichen Umständen exi­stiert. Eine Wesenseigenschaft ist daher nur hypothetisch notwendig und kommt einem Individuum in jeder Welt zu, vorausgesetzt es existiert in dieser Welt. - Der Gegensatz einer aktualistischen und einer possibilistischen Deutung möglicher Welten entzündet sich daran, ob wir nur vom aktuell Existierenden oder auch vom bloß Möglichen sagen können, es existieren. Denn indem wir mögliche Welten zum Gegenstand unserer Erörte­rungen machen und sie sogar als ontologisch relevant behandeln, betrachten wir sie als ir­gendwie gegeben. Der Possibilismus (David Lewis) geht davon aus, alle möglichen Welten seien gleichermaßen real und existierend. Auf jeden Gegenstand ebenso im homo­genen physikalischen Raum wie im logischen Raum treffe ein einheitlicher Begriff der Existenz zu. ‘Aktuell’ oder ‘aktuell existierend’ zeichne etwas daher nicht absolut oder ontologisch, sondern nur indexikalisch oder relativ auf den jeweiligen Sprecher aus, da die Einwohner einer Welt jeweils ihre Welt als aktuell existierend betrachten. ‘Aktuell’ oder ‘gegenwärtig wirksam’ kann nur sein, was in irgendwelchen Wirkzusam­menhängen zum jeweiligen Sprecher steht. Da von (angenommen) vielen raumzeitlich wie kausal isolierten, gleichermaßen realen Weltsystemen für den jeweiligen Sprecher nur das eigene System erreichbar ist, ist nur dieses für ihn aktuell. Aber auch die bloß mögli­chen Welten kann man als existierend betrachten, nicht nur im logischen, sondern auch im (weiter verstandenen) aktiven Sinn in der für die jeweilige Art Gegenstand spezifi­schen Weise (in der Zeit) wirksam sein. Damit wird der Gegensatz der Modalitäten rela­tiviert: Das Faktische betrifft den erreichbaren Teilbereich der Realität (die lokalen Bedingungen), das Mögliche und Notwendige die Realität als Ganze. - Eine Welt kann als eine maximal konsistente Menge (Totalität) miteinander koexistenzfähiger Individuen betrachtet werden. Isolierte Weltsysteme können nicht in einem starken Sinn koexistie­ren, wonach die Fähigkeit eines Zusammenwirkens vorausgesetzt ist. Da eine Pluralität von Welten aber im logischen Raum gegeben ist, ist wohl ein logischer Begriff maßgeb­lich, wonach alles koexistiert, was widerspruchsfrei zusammenbestehen kann. Damit bil­den viele Weltsysteme zusammen nur eine Welt qua Totalität alles Koexistierenden. Nimmt man dagegen mehrere Welten an, die untereinander nicht verträglich (kompatibel, kompossibel) sind, dann läßt sich nach dem Widerspruchsprinzip nicht sagen, daß sie alle existieren. - Man kann daher wohl nicht behaupten, es gebe eine Vielheit von Welten im konkreten Sinn, sondern nur im abstrakten Sinn: Es gibt viele Möglichkeiten der Welt, d.h. mögliche Gesamtzustände oder Arten, wie das gesamte Weltgeschehen verlaufen könnte. Da es aber nur eine konkrete Welt gibt, ist von diesen vielen möglichen Weltver­läufen nur einer instantiiert oder verwirklicht worden. Nach der aktualistischen Position existiert nur diese. Auch mögliche Welten existieren, aber nicht als konkrete Welten, sondern als Eigenschaft der wirklichen Welt, daß sie anders hätte verlaufen können. Dies widerspricht dem nominalistischen Sparsamkeitsprinzip, nach dem die Erklärung mit möglichst wenigen Grundtypen von Entitäten auskommen soll, namentlich abstrakte En­ti­täten wie mögliche Weltverläufe vermieden werden sollten.

 

 

F. Die Individuation möglicher Entitäten:

    Sind aktuelle Individuen die Basis, oder gibt es keine transworld-identity?

 

Nund sind nicht bloß wirkliche Individuen in alternativen Umständen, sondern auch nie wirkliche Individuen möglich. Logisch möglich sind nämlich auch Weltverläufe, die ganz an­deren Naturgesetzen unterworfen sind, in denen folglich ganz andere Arten von Lebe­wesen und Dingen auftreten, so daß ausgeschlossen ist, daß sie dieselben Individuen ent­halten. Solche bloß möglichen Individuen könnten durch den vollständigen Individualbe­griff (Leibniz) gegeben sein. Hiernach wäre ein Individuum nichts anderes als der Grenz­fall eines Begriffs, der nur dadurch allgemein ist, daß er unvollständig ist, d.h. eine endli­che Liste von Merkmalen umfaßt, die auf viele Individuen zutreffen kann. Eine hinrei­chend umfangreiche, aber noch immer endliche Merkmalliste vermag zwar faktisch ein ein­ziges Individuum auszusondern; um aber ein Individuum von jedem anderen auch mög­­lichen Individuum abzugrenzen, bedarf es eines unendlich inhaltsreichen oder voll­stän­­digen Begriffs, der jede mögliche Aussage des Erörterungsbereichs verifiziert oder fal­­sifiziert. Die Nähe eines Individuums zu einer möglichen Welt, die ganz entsprechend de­­finiert wird, hat Leibniz gespürt, indem er das Individuum als einen lebendigen Spiegel des Universums auffaßte. Ein Begriff vermag ein Individuum folglich dadurch eindeutig fest­­zulegen, daß er die jeweilige (mögliche) Welt impliziert. Dadurch weist er ihm zum ei­­nen innerhalb der Welt einen unverrückbaren Platz zu, zum anderen grenzt er es da­durch auch von jedem anderen möglichen Individuum ab, daß es allein dieser einen Welt angehören kann. Diese Weltgebundenheit eines Individuums aber geht Hand in Hand mit einem Determinismus. Da sich aus dem vollständigen Individualbegriff jede Bestimmung eines Individuums ableiten läßt, bedeutete die geringste Änderung innerhalb der Lebens­ge­­schichte: Ein anderer Individualbegriff definiert ein anderes Individuum, das einer an­de­­ren Welt angehört. Innerhalb der (wirklichen) Welt, der ein Individuum angehört, ist alles bis ins letzte Detail festgelegt. Anders handeln kann ein Individuum nur insofern, als andere Weltverläufe möglich sind, in denen ein Gegenstück zu diesem Individuum in ent­sprechender Situation anders gehandelt hätte. Während es bei Leibniz nur eine unausge­sprochene Konsequenz eines vollständigen Individualbegriffs ist, daß es keine weltüber­greifende Identität (transworld identity) geben kann, andere Welten bloß Gegenstücke (counterparts) enthalten können, vertritt D. Lewis diese Auffassung explizit, freilich aus anderen Gründen. Es ist höchst implausibel, daß in verschiedenen eigenständigen, gleich realen Weltsystemen sozusagen an verschiedenen Orten im logischen Raum dasselbe In­dividuum auftreten kann. - Da die Entscheidung etwas Unvertretbares ist, kann meine persönliche Entscheidungsfreiheit nicht dadurch begründet werden, daß ein anderes Indi­viduum, und sei es mein Gegenstück, das mir unter den Individuen seiner Welt am mei­sten ähnelt, in seiner (in allen wichtigen Momenten) übereinstimmenden Entschei­dungs­situation anders entschieden hätte. Denn hiernach müßte man aus einer de-dicto-Modali­tät  die sich auf einen allgemeinen Sachverhalt bezieht: Es ist mögich, daß eine so und so geartete Person in der und der Situation die und die Entscheidung trifft, auf eine de-re-Modalität schließen können, daß mir als Vermögen zukommt, mich in dieser Situation anders zu entscheiden. Auch wenn meistens ein solcher Zusammenhang besteht, ist die­ser Schluß dennoch nicht gültig. Denn jene Faktoren, die über eine so und so beschriebe­ne Person hinaus meine Individualität ausmachen, könnten gerade vereiteln, daß ich dieses Vermögen habe. Wäre die Beschreibung aber in Leibniz’ Sinn vollständig, bedeu­tete dies Weltgebundenheit und damit Determination. Auch andere Formen einer Indivi­dualessenz sind zum Scheitern verurteilt. So kann auch nicht die Eigenschaft, ein be­stimmtes Individuum zu sein, ein mögliches Individuum festlegen. Vielmehr ist eine der­ar­­tige Eigenschaft in sich unstimmig, da sie der grundsätzlichen Allgemeinheit einer Ei­gen­schaft widerstreitet. Selbst eine singuläre Eigenschaft (wie eine Maximaleigenschaft), die von nicht mehr als einem wahr sein kann, weist diese grundsätzliche Allgemeinheit auf. Zunächst kommt jeder beliebige, wer immer die einschlägige Bedingung erfüllt, als Kan­didat dieser Eigenschaft in Frage, während ein Individuum von vornherein in seiner unverwechselbaren Einmaligkeit feststehen muß.- Angesichts der Schwierigkeiten, die In­­di­vidualität begrifflich oder durch Eigenschaften zu erklären, könnte es sich nahelegen, sie als ein ursprüngliches, nicht weiter zu klärendes, sondern mit der Existenz selbst ge­ge­benes Faktum aufzufassen: Etwas existiert ipso facto individuiert oder vereinzelt an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit. Damit muß der Aktualist die Indivi­du­­alität auch möglicher Entitäten letztlich auf aktuell Existierendes zurückführen. Prob­lemlos ist nur, ein wirkliches Individuum unter kontrafaktischen Umständen zu betrach­ten.

            Ein bloß mögliches Individuum könnte durch eine eindeutige Beziehung zu einem durch seine wirkliche Existenz Individuierten seinerseits individuiert sein, etwa dadurch, daß es von wirklichen Eltern abstammt und angenommen wird. (Dies ist dann plausibel, wenn man diese Abstammung mit Kripke als eine interne, für die Identität eines Individu­ums konstitutive Relation auffaßt.) Fabelwesen, die sicher logisch möglich sind, stellen phantastische Zusammensetzungen von Teilen wirklicher Lebewesen dar. Diese phanta­stische Kombination geschieht nur im Denken. Hier aber werden niemals individuelle Tei­le kombiniert, sondern stets nur Teile einer bestimmten Art. Logisch mögliche, d.h. widerspruchsfreie Welten könnten von anderen Naturgesetzen beherrscht sein, wenn­gleich eine völlig ungeregelte gesetzlose Welt schwerlich möglich ist. Damit könnten sie so andersartige Individuen enthalten, daß wir sie uns gar nicht vorzustellen vermögen. Auch wenn wir uns epistemisch gesehen vielleicht nur das vorstellen können, was irgend­einen Bezug zur erfahrbaren Wirklichkeit hat, ist noch lange nicht gesagt, daß auch lo­gisch oder metaphysisch nur das möglich ist, was sich auf die Wirklichkeit zurückführen läßt.

 

 

G. Logisch-epistemische versus reale ontische Modalitäten

 

Die empiristisch-positivistische Auffassung, Modalausdrücke könnten sich immer nur aus den Regeln des Denkens und Sprechens ergeben, ist keineswegs die Überwindung dubio­ser metaphysischer Modalitäten, sondern beruht seinerseits auf metaphysischen Annah­men, nämlich einem Determinismus. Da für diesen der gesamte künftige Weltverlauf bereits im voraufliegenden Weltzustand, d.h. letztlich dem Anfangszustand der Welt und dem Gesetzessystem angelegt ist, gibt es innerhalb des wirklichen Weltgeschehens keine Alternativen zu dem, was tatsächlich eingetreten ist. Wenn uns vor dem Eintritt alternati­ve Geschehensabläufe möglich erschienen, so ist dies ein rein subjektiver Schein, der auf unserer Unkenntnis der unendlich komplexen Determinationszusammenhänge beruht. Da folglich die realen Möglichkeiten mit der Wirklichkeit zusammenfallen und damit not­wen­dig sind, ist eine Unterscheidung realer ontischer Modalitäten leerlaufend, so daß diese auf den Bereich der Logik und des Erkennens zu beschränken sind. - Logische Mo­dalitäten sind stets zeitlos. So wie eine Aussage auch über ein vorüobergehendes zeitli­ches Ereignis ein und für allemal wahr ist, sind es auch die modalen Differenzierungen der Wahrheit. Bei den realen Modalitäten kann es hingegen für einen Indeterministen zeit­bezogene Modalprädikate geben: Was zuvor möglich war, kann