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Fundamentaltheologie Prof. Dr. Otto Horn, vorgelegt von Oliver Dicklhuber
I
n h a l t s v e r z e i c h n i s
1.1. Unverfälschtheit
der katholischen
Lehre.................................................................. 3-4
1.2.
Offenbarung............................................................................................................
4-5
2.1.
Entwicklungslehre...................................................................................................
6-8
2.2.
Vernunft im Dienst der
Erkenntnis...........................................................................
8-9
1.1. Unverfälschtheit der
katholischen Lehre
Die Untersuchung der
Dogmenentwicklung, wie sie Newmann sieht, gliedert sich
in zwei Teile.
Als erstes ist zu erkennen, daß
die Dogmenentwicklung bei Newmann verbunden ist, mit einem Ringen um die Unverfälschtheit
der Lehre der katholischen Kirche. In einem zweiten Teil ist dann zu erörtern,
wie sich die Dogmen entwickeln.
John Kardinal Newmann
(1801-1890) war um Erkenntnis bemüht und zwar dahingehend, ob die anglikanische
oder die römisch katholische Kirche, die Lehre vertritt, die die Urkirche zur
Zeit der Apostel auch hatte.
Es quälte ihn die Frage, ob die
römisch katholische Kirche im Laufe der Jahrhunderte von den gesellschaftlichen
Verhältnissen korrumpiert wurde. Diesen Vorwurf hörte man vielfach in der
anglikanischen Kirche.
Newmann war um die Unverfälschtheit
der katholischen Lehre auch aus inneren seelischen Gründen bemüht, um so mehr
als Konvertit, denn seine eigene religiöse Identität hing eng mit der Frage
zusammen, ob die katholische Lehre rein sei, d. h. mit der Lehre der Urkirche
vereinbar sei. Dies ist als ein Aspekt seiner persönlichen Entwicklung zu
sehen.
Es
war 1845, als er sein Werk " Die Entwicklung der christlichen Lehre"
zum Abschluß brachte. In diesem Werk, vorallem im zweiten Teil erörtert er
dieses Problem. Durch sieben Punkte führt er eine Beweisführung für die
Unverfälschtheit der katholischen Lehre.
Diese sieben Punkte sind:
-
Erhaltung des Typus (die Teile der entwickelten Form, entsprechen jenen der
Urform),
-
Kontinuität der Prinzipien (Prinzipien, die die Form der Entwicklung bedingen,
bleiben immer gleich),
- Assimilierungsvermögen
(Wachstum bedeutet Assimilierung äußerer und neuer Elemente),
- Logische Reihenfolge (Logik
gibt Gewähr für die Originalität der Entwicklung),
-
Antizipation ihrer Zukunft (Aspekte einer Idee zeigen sich früh und geben somit
eine Evidenz für die ursprüngliche Idee),
-
Konservative Wirkung auf ihre Vergangenheit (Eine wahre Entwicklung bewahrt die
vorangegangene Entwicklung),
- Dauernde Lebenskraft (korrupte
Ideen sind nicht von Dauer).
In diesen sieben Kennzeichen
sieht er für die Entwicklung der christlichen Lehre eine
Gewähr, daß sie nicht korrumpiert sei.
Denn wie schon gesagt, es ging
Newmann um Glaubensgewißheit, denn er wollte die Gültigkeit einer Erkenntnis
in personaler Entscheidung anerkennen.
Durch zähes inneres Ringen kam
Newmann so zur Überzeugung der Unverfälschtheit der Lehrentwicklung.
Nun mußte er auch erklären,
wie er sich die Entwicklung der Lehre dachte, wenn sie seit der apostolischen
Zeit in ihrer Quantität gleich geblieben ist[1].
1.2. Offenbarung
Die katholische Lehre kennt den
Begriff Dogma, als eine von Gott geoffenbarte Wahrheit.
In Newmanns Buch
"Entwicklung der christlichen Lehre", stellt Newmann die Frage, ob die
göttliche Offenbarung einer Entwicklung unterliegt. Wenn ja, dann, wie sich die
Entwicklung darstellt.
Newmann war der Ansicht, daß
die Offenbarung innerhalb der apostolischen Zeit abgeschlossen war, neue
Offenbarungen seien daher nicht mehr zu erwarten[2].
Es gibt daher keine
substantielle Dogmenentwicklung, d. h. in der Form daß neue Wahrheiten
geoffenbart würden.
Wenn Entwicklung stattfindet, so
findet sie nur in der Form statt, daß eine qualitative Entwicklung der
Offenbarung zu erwarten sei.
Der menschliche Verstand dringt
in die Offenbarung, in Form von Satz und Gegensatz vor[3].
Bei dem Gesagten, könnte man an die Hegelsche Dialektik erinnert sein,doch so
verstand Newmann die Dogmenentwicklung nicht. Newmann verglich die
Dogmenentwicklung mit der Entfaltung der menschlichen Wissenschaft.
Der Wissenschaftler betrachtet
zunächst seinen Gegenstand als Ganzes. Dann untersucht er die Einzelheiten und
schreitet so von einer allgemeinen Erkenntnis fort zum Einzelwissen. Wenn dies
erledigt ist, dann ordnet er die Einzelerkenntnisse wieder ein in das
Gesamtwissen um den Gegenstand.
Hegel sieht dagegen die
Entwicklung in These - Antithese - Synthese jeweiliger Gedanken, für Newmann
dagegen ist die Dogmenentwicklung die folgerichtige Entfaltung eines
Grundgedankens in all seine Folgerungen.
Nun ist zu fragen was ist der
Gegenstand, des sich entwickelnden Dogmas. Was entwickelt sich, obwohl die
Offenbarung seit der apostolischen Zeit abgeschlossen ist?
Wenn etwas klar und uneingeschränkt
akzeptiert wird, was Glaubensinhalte angeht,dann bedarf es keiner weiteren Erklärung
darüber, wie der Glaubensinhalt zu interpretieren ist.
Anders wenn ein
Offenbarungsinhalt, der schon in apostolischer Zeit zwar implizit in dem
Geoffenbarten enthalten war, aber erst im Laufe der Zeit zu verschiedenen
Ansichten bezüglich der richtigen Interpretation führt.
So ist Newmann der Ansicht, daß
eben Häresien die Kirche nötigen, zu neuen Fomulierungen, die Dogma genannt
werden[4].
Diese neuen Fomulierungen sind
Entfaltungen des Geoffenbarten nicht in quantitativer mehr aber in qualitativer
Hinsicht.
Es soll nichts Neues ausgesagt
werden, nur die unterschiedlichen Ansichten sollen durch neue präzisere
Formulierungen zu einer Lehrmeinung werden.
Da der menschliche Verstand die
Offenbarung nur stückweise erfassen kann, müssen immer neue Lehrsätze
ausgeformt werden.
Häresien sind somit notwendig,
um sich über die geoffenbarte Wahrheit in unmissverständlicher Weise klar zu
werden.
Wie stellt sich die geoffenbarte
Wahrheit dar?
Die Offenbarung ist für Newmann
in zwei Quellen zugänglich. In der Hl. Schrift und in einer mündlichen Überlieferungsquelle,
die er Depositum nennt.
Newmann war von der Suffizienz
der Hl. Schrift überzeugt, hielt aber an der mündlichen Überlieferung als
zweiter Offenbarungsquelle fest.
Das Depositum ist für Newmann
eine göttliche Philosophie, ein Gedankensystem, das von Generation zu
Generation tiefer und weiter durchdrungen wird[5].
Das Depositum gibt die Fülle der göttlichen Offenbarung weiter bis zum Ende
der Zeiten und zwar unverändert.
Somit ist die Offenbarung etwas
Lebendiges, weil man sie nie restlos in Buchstaben festlegen kann.
2.1. Entwicklungslehre
Für Newmann ist das Christentum
eine Idee. Aus dem Erkenntnistheoretischen Ansatz, daß unser Geist Urteile über
Dinge abgibt, die vor uns treten und der unveränderlichen Welt der Ideen, legt
Newmann seine Entwicklungslehre dar.
Wir erfassen nicht eher, so
urteilen wir auch schon, d. h. wir lassen nichts für sich alleine stehen.
In dem wir vergleichen,
kontrastieren, abstrahieren und klassifizieren bilden sich in uns Assoziationen.
Diese in unserem Geist gebildeten Urteile nennt Newmann Aspekte, die zweierlei
Eigenschaften haben.
Meinungen sind Aspekte in
unserem Geist von uns begegnenden Dingen die kommen und gehen und bei uns nur
solange verbleiben, bis ein Zufall sie beseitigt.
Ideen dagegen sind fest
verwurzelt in unserem Geist, mit oder ohne Grund und haben Macht über uns, d.
h. sie beeinflussen Prinzipien der Lebensführung oder Ansichten von der Welt
aber auch auf Vorurteile, Einbildungen und Überzeugungen[6].
Um Ordnung zu schaffen, erklärt
Newmann, daß es objektive und subjektive Ideen gibt.
Der Judaismus ist für ihn eine
objektive Idee, da er Aspekte des Montheismus, der ethischen Disziplin usw.
aufweist, die eine Vorbereitung auf das Christentum darstellen.
Im Gnostizismus hingegen, sieht
Newmann eine subjektive Idee, da er die Lehre von den zwei Prinzipien, der
inneren Bösartigkeit der Materie usw. beinhaltet, diese Aspekte sind falsch und
somit subjektiv.
Die Idee, die einen Gegenstand
oder mutmaßlichen Gegenstand repräsentiert, ist kommensurabel mit der
Totalsumme ihrer möglichen Aspekte.
Anders ausgedrückt, eine Idee
ist dann objektiv, wenn es zu einer Bündelung von Wahrscheinlichkeiten, oder
Mannigfaltigkeiten zur Wahrheit kommt.
Dieser Ansatz ist nicht neu,
schon John Locke (1632-1704) hat in seinem Werk "An Essay concerning human
understanding" von 1690 die Frage der Gewißheit aufgegriffen.
Von der Existenz endlicher Dinge
außer uns, können wir keine volle Gewißheit haben[7].
Aber einige von ihnen grenzen so
nahe an Gewissheit, daß wir Ihnen zustimmen können.
So führt die Bündelung von
Wahrscheinlichkeiten zur Wahrheit über Dinge, von denen wir vorher keine volle
Gewißheit hatten.
Für Newmann läßt sich so
feststellen, ob eine Idee objektiven Charakter habe oder nicht.
Eine Idee kann einer Entwicklung
unterliegen und zwar wenn sie vom Geist eines Volkes oder dem Teil einer
Gemeinschaft Besitz ergreift.
Zuerst werden die Menschen nicht
voll verstehen, was das ist, was sie bewegt und werden sich inadäquat ausdrücken
und erklären. Es wird eine allgemeine Gedankenbewegung einsetzen und eine
Wirkung von Geist auf Geist.
Dann wird es eine Zeit der
Verwirrung geben, wenn richtige und falsche Auffassungen in Konflikt miteinander
sind. Immer neue Aspekte werden auf die dargebrachte Lehre geworfen.
Nach einer Weile taucht eine
bestimmte Lehrmeinung auf und mit fortschreitender Zeit wird eine Ansicht
modifiziert oder erweitert durch eine andere und dann kombiniert mit einer
dritten, bis die Idee, zu der diese verschiedenen Aspekte gehören, für jeden
Geist im Einzelnen das sein wird, was sie zuerst für alle zusammen war[8].
Somit unterliegt eine Idee der
Wandlung durch den menschlichen Geist, aber auch der göttliche Geist greift in
diesen Wandlungsprozeß ein.
Was nun das Christentum angeht,
so nimmt Newmann an, daß auch die Wahrheiten aus denen es besteht einer
Wandlung unterliegen.
Diesen Prozeß, wie lange er
auch dauern mag, nennt Newmann Entwicklung. Durch diesen werden die Aspekte
einer Idee in Form und Zusammenhang gebracht.
Sie ist aber keine Entwicklung
im Sinne der Evolution, sondern um ein Bild zu nehmen, wie schon der Mann seine
Anlagen im Kind hat, wird auch bei der Entwicklung des Christentums nichts
wesentlich Neues hervorgebracht, daß nicht schon im Anfang seine Grundlegung
gehabt hat.
Dieses kreieren einer Idee in
Form und Zusammenhang ist nicht eine zusätzliche Anhäufung von Qualitäten,
Attributen, die neu wären, sondern eine Klarwerdung der nur bruchstückhaft
reflektierten Offenbarung.
Nun ist der Unterschied zwischen
Dogma und Idee dahingehend, daß Bekenntnisse und Dogmen in der einen Idee
leben, die auszudrücken sie bestimmt sind und die allein wesenhaft ist.
Das Dogma ist notwendig, weil
der Mensch nur unzulänglich über die Idee reflektieren kann. Im Ganzen kann
sie der Mensch nicht gebrauchen, ohne sie aufzulösen in eine Reihe von Aspekten
und Relationen.
Wir begreifen durch Definitionen
und Beschreibungen Gegenstände als Ganzes, nicht im Geist Ideen als Ganzes,
sondern sie werden in Serien auseinandergezogen in eine Anzahl von
Festsetzungen, die einander kräftigen, interpretieren und sich somit dem vollständigen
Bilde nähern.
Somit sind Dogmenentwicklungen
aus erkenntnistheoretischen Ansätzen zu erwarten.
2.2. Vernunft im Dienst der
Erkenntnis.
Für Newmann wird die Gültigkeit
einer Erkenntnis in personaler Entscheidung anerkannt. Dies schließt in
keinster Weise aus, daß man trotzdem erst den Verstand benützt, um zu
Erkenntnis zu gelangen.
Ja Newmann fordert sogar, daß
man die Vernunft in den Dienst der Erkenntnis der Offenbarung stellen solle. Sie
habe das innerlich Gewusste äußerlich zu formulieren[9].
Doch dies kann nur unzulänglich
geschehen, denn unsere Ideen sein nur größtmögliche Annäherung an die
Wirklichkeit.
Hier kommt deutlich zum
Ausdruck, das Newmann die Ideen auch anders als im platonischen Sinne versteht.
Denn bei Plato haben die Ideen den Charakter einer Idealvorstellung, eine Welt
der Begriffe, die es zu entdecken gilt.
Newmann meint hier wohl Idee im
Sinne einer rationalen Struktur der Realität. Anders ausgedrückt, als Summe
ihrer Einzelaspekte, wie sie sich uns darstellt.
Glauben müsse man daher, was
das Herz lehrt. Also letzte Instanz für die Erkenntnis und Umsetzung muß das
Herz sein.
Aber zurück zur Vernunft. Der
rechte Gebrauch der Vernunft müsse sich in auslegenden, entwickelnden und
weitertragenden Denken bestätigen. Damit ist gemeint, daß eine Idee, die sich
zur Lehrmeinung oder Dogma entwickelt, indem sie den Prozeß zur Formwerdung und
des in Zusammenhang gebracht werdens durchmacht, durch den Verstand in allen
Aspekten ausgelegt wird.
Denn Leben äußerst sich in
Fortschritt, aber wie schon oft erwähnt nicht in einem mehr an Wissen, sondern
an einem mehr an Klarheit.
Der Fortschritt zeigt sich in
der Dogmenentwicklung, daß schon lange in der Kirche ruhende Eindrücke nach
draußen kommen.
Die offenbarte Wahrheit liegt
wie ein Schatz in der Erde, er muß nur noch entdeckt werden. Diese Eindrücke,
die nach außen gelangen sind als Realität dann Dogmen und Bekenntnisformeln,
deren Aussagen aber immer unzulänglich bleiben müssen, weil sie Symbole der göttlichen
Tat sind.
Der menschliche Verstand ist
unzulänglich, kann die göttliche Offenbarung nicht auf einmal
begreifen, daher sind Dogmen notwendig, die wie gezeigt, einer
Entwicklung unterliegen.
Aber auch diese Dogmen sind
unzulänglich, weil sie nur Symbole dieser göttlichen Tat sind.
So bleibt uns nur das erwägende
Hören auf das, was uns das Herz lehrt, um dann in personaler Entscheidung, zu
dem geoffenbarten Glaubensinhalt ja zu sagen.
So ist die Offenbarung schon
seit der apostolischen Zeit abgeschlossen, aber die Dynamik der Welt zwingt zu
immer neuer Rückbesinnung auf das eigentlich gemeinte in der Offenbarung.
[1] J. Beumer SJ, Die mündliche Überlieferung als Glaubensquelle in Handbuch der Dogmengeschichte, Freiburg 1962, 199.
[2] Ebd. 199.
[3] Ebd. 200.
[4] Beumer 200.
[5] Ebd. 200.
[6] John Henry Kardinal Newmann, Die Entwicklung der christlichen Lehre und der Begriff der Entwicklung, übersetzt von Theodor Haecker, München 1922, 31.
[7] E. Coreth, Philosophie des 17. und 18. Jahrhunderts, 2. Auflage Stuttgart 1990, 64.
[8] Newmann 35.
[9] Beumer 198.