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  Zusammenfassung

 

der Vorlesung

A N T H R O P O L O G I E

 

 

 

Kap. 1: Die Fragestellung und Geschichte der Anthropologie

 

 

A. Auch wenn die Frage, was der Mensch ist, die Menschheit schon immer bewegt hat, gab es bis zu Beginn unseres Jahrhunderts keine Anthropologie als eigene philosophische Disziplin, vielmehr wurden verteilt über verschiedene Disziplinen die für sie jeweils relevanten Gesichtspunkte des Menschseins erörtert. Für Kant zerfällt die Frage nach dem Menschsein, die nach ihm den ganzen zentralen Inhalt der Philosophie ausmacht, in die drei Teilfragen: Was kann ich wissen? (Metaphysik oder Erkenntnistheorie) - Was soll ich tun? (Ethik) - Was darf ich hoffen? (Religion) Schon Aristoteles hatte die theoretische Neugier des Menschen, daß er von Natur aus über das fürs Überleben Notwendige hinaus nach Wissen strebt, im Kontext einer Hinführung zur theoretischen Philosophie behandelt; die natürliche Fähigkeit, sich dank seiner Sprache und praktischen Vernunft (Logos) über sittliche Werte zu verständigen und auf dieser Basis Staaten zu gründen, erörtert er dagegen im Rahmen der Politik. Das Bedürfnis, die Natur des Menschen insgesamt in all ihren Aspekten zu erörtern, entsteht, wenn es ihn abzugrenzen und in seiner Sonderstellung zu erfassen gilt. Diese Herausforderung ergab sich aus der Wissenschaftssituation zu Beginn des 20. Jhds. Die Fülle von Fakten, die das 19. Jhd. bei seiner positivistischen Wissenschaftsauffassung über das biologische Funktionieren des Menschen gesammelt hatte, sowie die darwinisti­sche Evolutionstheorie waren dazu angetan, die traditionelle Überzeugung von dem nicht bloß graduellen, sondern grundlegenden, qualitativen Herausgehobensein des Menschen aus dem Tierreich zu erschüttern. Nicht trotz, sondern gerade wegen des so gewachsenen einzelwissenschaftlichen Tatsachenwissens ist der Mensch sich selbst so fragwürdig geworden, was er eigentlich sei (metaphysische Wesensfrage).

 

B. Nicht zufällig hat Aristoteles’ Lehre von einer Stufenordnung aufeinander aufbauender Seelenteile, die den grundlegenderen und den sich daraus entwickelnden Lebensfunktionen (vegetativ, sensitiv, kognitiv) entsprechen, die damalige Anthropologie (Scheler, Plessner) angeregt. Denn sie erlaubt es, den Menschen in das Reich der Lebenden einzuordnen und seine Sonderstellung so auf dem Hintergrund all jener biologischen und medizinischen Ergebnisse zu sehen, die seine Nähe zumal zu den Tieren zeigen. Da für Scheler der Mensch im Moment des Lebendigen (im physiologischen ebenso wie im psychischen Aspekt) den übrigen Lebenden grundsätzlich gleichgestellt ist, kann seine Sonderstellung nur auf dem Geist beruhen als einem Prinzip, das dem Leben enthoben, ja ihm entgegengesetzt ist. Auch wenn die These vom Widerstreit des Geistigen und Vitalen einer damaligen vitalistischen Zeitströmung entspricht, ist die (durch den Geist ermöglichte) Weltoffenheit sicher ein geeignetes Charakteristikum menschlicher Eigenart: Während die Arten der Lebenden in ihren Lebensformen je einem Lebensbereich angepaßt sind und sich nur in den für diesen typischen Situationen angemessen verhalten, befähigt der Geist den Menschen, individuell auf die Erfordernisse der einzelnen Situation einzugehen und macht ihn so offen für prinzipiell alle Situationen der Welt. - Für Plessner ist der Mensch nicht bloß wie alles Lebende durch Positionalität gekennzeichnet, daß er in steter Abgrenzung von der umgebenden Natur seine Position behaupten muß, sondern durch eine exzentrische Positionalität, gleichsam aus seiner Mitte heraustreten und sich von einem äußeren Standpunkt aus betrachten zu können. Damit hat er aber von Natur aus keinen festen Stand, keinen angestammten Ort, und es bedarf daher der Künstlichkeit oder Kultur, um durch bewußte Lebensführung (die aber erscheinen muß, als ob sie natürlich sei) Stabilität und Heimat zu finden. - Auch Gehlen geht von einer solchen grundlegenden Bedürftigkeit des Menschen als eines Mängelwesens aus, dem sowohl (auf eine Umwelt) spezialisierte Organe wie lebenserhaltende Instinkte fehlen (negative Weltoffenheit). Die Besonderheit des Menschen liegt damit darin, ein handelndes Wesen zu sein. Durch seine Handlungen und Kulturleistungen kann und muß der Mensch die von Natur aus für sein Überleben recht ungünstigen Ausgangsbedingungen ausgleichen, ins Lebensdienliche umwandeln und sogar seine Daseinsmöglichkeiten ausweiten (positive Weltoffenheit). Kultur wird hier nicht als spezifische Schöpfung des Geistes, sondern biologisch als Überlebensmittel gesehen.

 

C. Auch wenn das anthropologische Anliegen dasselbe geblieben ist, die Stellung des Menschen auf dem Hintergrund naturwissenschaftlicher Resultate neu zu bedenken, so ist die wissenschaftliche Herausforderung eine andere geworden. In der Biologie spielt die Gehirnforschung eine immer wichtigere Rolle und wie in vielen Wissenschaften wird auch in ihr der strukturwissenschaftliche Anteil immer bedeutsamer. Die brennende Frage für die philosophische Anthropologie lautet damit: Sind die mentalen Akte (Denken, Wollen, Fühlen) letztlich mit den sich gleichzeitig vollziehenden Gehirnprozessen identisch, deren Funktionieren (nach Art eines kybernetischen Systems) sich vom Computer darstellen läßt, so daß man im eigentlichen Sinne von einer künstlichen Intelligenz sprechen kann? - Es könnte gelingen, so leistungsfähige Computer­(programme) zu entwerfen, daß sie den Turingtest bestehen. Hiernach muß man einer Maschine dann Intelligenz zusprechen, wenn sich allein an der Art, wie geantwortet wird, nicht entscheiden läßt, ob die Antwort von einem Menschen oder einer Maschine stammt. Gegen diesen Versuch, das menschliche Handeln (und die ihm zugrundeliegende Intelligenz) behavioristisch auf das äußerlich beobachtbare Verhalten zu reduzieren, das sich nach dem Reiz-Reaktions-(input-output-)Schema erklären läßt, hat Searle das Argument vom chinesischen Raum vorgebracht. Um den Unterschied zu einer genuin menschlichen Intelligenzleistung wie dem Sprachverstehen zu verdeutlichen, weist Searle die typischen Leistungen eines Computers einem Menschen zu, daß jemand, der kein Chinesisch versteht, es gelernt hat, nach mechanischen Regeln so perfekt mit chinesischen Sprachsymbolen zu operieren und Fragen zu einem chinesischen Text zu beantworten, daß Muttersprachler mit einem Chinesischkundigen zu kommunizieren glauben. Auch wenn Computer bestimmte Denkprozesse erfolgreich simulieren können und darin dank ihrer größeren Geschwindigkeit und Speicherkapazität sogar leistungsfähiger als ein Mensch sind, so fehlen ihnen doch gewisse Bestimmungen, die notwendige Bedingungen eines echten mentalen Aktes sind, namentlich Intentionalität, Spontaneität, Reflexivität und eine prinzipiell unbegrenzte Lernfähigkeit (als Proprium geistbegabter Wesen). Die Intentionalität als ein bewußtes Sichbeziehen auf etwas kennzeichnet alle mentalen Akte (etwas erkennen, etwas hoffen, etwas wollen) und unterscheidet so auch das Sprachverstehen als ein geistiges Sichrichten auf das zu Verstehende von einem bloßen Manipulieren von Sprachzeichen nach syntaktischen Regeln. Weil dem Computer die Reflexivität abgeht und er nicht weiß, was er tut, fehlt ihm auch die Lernfähigkeit, die darauf basiert, daß man sein eigenes Tun bewußt zu beobachten und zu beurteilen vermag. (Der Computer ist nur in den vorprogrammierten Grenzen anpassungsfähig.)

 

D. Falls es solche spezifisch mentalen Prädikate geben sollte, die man einem mechanisch funktionierenden System nicht angemessen zuschreiben kann, so verbietet sich zwar, von einer eigentlichen künstlichen Intelligenz zu sprechen; die Leib-Seele-Identität kann hingegen nach Auffassung einiger ihrer Verfechter trotz dieses Zugeständnisses aufrechterhalten werden. So versucht Putnam eine gewisse inhaltliche Eigenständigkeit des Mentalen, daß es nur ihm angemessene Prädikate gibt, gemäß der funktionalen Isomorphie mit der Leib-Seele-Identität zu versöhnen, diese beiden Systeme ließen sich nach exakten Transformationsregeln ineinander abbilden. Die Forderung, zu jedem mentalen Moment müsse es eine exakte physische Entsprechung geben, ist bei Bestimmungen wie der Intentionalität jedoch schwer einlösbar. Davidson verzichtet in seinem nicht-reduktionistischen Physikalismus auf diese Forderung einer exakten Entsprechung und sieht zwei Einzelereignisse, im vorliegenden Fall ein mentales und ein physisches, als identisch, d.h. als verschiedene Erscheinungsformen (Gegebenheitsweisen) desselben Ereignisses an, wenn sie dieselben Ursachen und Wirkungen haben. Bei diesem Kriterium könnte die Spontaneität als Unterscheidungsmerkmal des Mentalen nicht aufrecht­erhalten werden, daß der Geist ursprünglich aus sich heraus eine Reihe von Handlungen ohne kausale Vorbedingungen ganz neu zu beginnen vermag, während die materiellen Naturereignisse (z.B. nach Kant) durchgängig kausal determiniert sind, da wir dann eine Leib-Geist-Identität von vornherein ausschließen. Daß wir uns keines Motivs für einen bestimmten Gedankengang bewußt sind, beweist aber die Spontaneität nicht schlüssig, da es auch unbewußte Motive gibt. Da ein Individuum eine Zähleinheit darstellen muß, ist es fragwürdig, ein Ereignis eines mentalen und eines physischen Typs identisch zu setzen, d.h. zu einem einzigen Individuum zu erklären; denn bei Mentalem und Physischem kann die Entscheidung, ob etwas als eines oder vieles zu zählen hat, verschieden ausfallen: So kann ein Schmerz zwischenzeitlich nicht bewußt wahrgenommen werden, wenn sich die geistige Aufmerksamkeit auf einen anderen Gegenstand konzentriert, und muß daher als zwei Schmerzereignisse gezählt werden, da es für die Identität des Schmerzes als eines mentalen Vorgangs konstitutiv ist, kontinuierlich empfunden zu werden; der zugrunde­liegende physiologische Vorgang mag hingegen, weil er fast unverändert fortdauert, als einer zu zählen sein. - Was eine Handlung unter den Ereignissen im allgemeinen auszeichnet, ist namentlich die Intentionalität im Sinne eines absichtsvollen Tuns, daß ich mich bewußt auf ein Ziel ausrichte, das ich durch mein Tun zu verwirklichen beabsichtige.

 

 

Kap. 2: Was sind Handlungen? Die kausalistische und die intentionalistische Sicht

 

A. Das kausalistische oder naturalistische Verständnis (Davidson) sieht Handlungen als eine Sonderform von Ereignissen an und glaubt daher, sie angemessen durch das naturwissenschaftliche Verfahren der Kausalerklärung erfassen zu können. Dieses nomothetische Verfahren stellt Kausalgesetze auf und hält ein Einzelereignis dann für hinreichend erklärt, wenn es dieses als Fall unter ein solches Gesetz zu subsumieren vermag. Die intentionalistische Sicht betont demgegenüber, die für das Handeln wesentliche Sinndimension könne nur durch die (geisteswissenschaftliche) Methode des Verstehens angemessen erfaßt werden. Denn auch die Geisteswissenschaften sind mit geschichtlichen Handlungen oder Schöpfungen des Menschen (in Literatur, Kunst und Musik) befaßt und versuchen diese, statt sie als Fall eines allgemeinen Gesetzes aufzuweisen, in ihrer individuellen Eigenart zu verstehen (idiographisch), freilich auf dem Hintergrund allgemeiner sozialer Verhältnisse. Im Sinne von Wittgenstein, für den das Sprachverhalten wie das Verhalten allgemein wesentlich von den Regeln der jeweiligen Sprachgemeinschaft oder Lebensform geleitet ist, betonen die Intentionalisten die Bedeutung der konventionell eingesetzten Regeln der Gemeinschaft, wenn es ein Verhalten zu verstehen gilt. Da die sozialen Verhaltensregeln jedoch Rationalitäts­vorstellungen widerspiegeln, erlauben sie, anders als Kausalgesetze, das Handeln als etwas Sinnhaftes zu verstehen.

 

B. Eine Handlung gehört zur Gattung der Ereignisse. Ein Einzelereignis ist hierbei allgemein als ein Individuum aus zeitlichen Teilen zu verstehen, das durch die vollständige Aufeinanderfolge seiner zeitlichen Phasen konstituiert wird, und sollte nicht auf ein kausal erklärbares Naturereignis eingeengt werden. Während ein Ereignis jeden Gegenstand betreffen kann, schreiben wir ein Verhalten nur wahrnehmungs- und bewegungsfähigen Organismen zu. - Ein Ereignis ist entweder nur ein Vorgang oder ein Verhalten. Ein Verhalten ist entweder ein bloßes Verhalten (eines Tieres) oder ein Handeln (eines Menschen). Beim Menschen treten sowohl Vorgänge (z.B. die durch unsere Absichten nicht beeinflußbaren Stoffwechselvorgänge) als auch Verhalten und Handeln auf. Da ein und dieselbe Art einer menschlichen Körperbewegung sowohl ein bloßes Verhalten als auch eine Handlung (oder ein Teil eines komplexen Handlungsverlaufs) sein kann, ist beides nicht nach empirisch verifizierbaren Kriterien unterscheidbar. Gegenüber dem Handeln als einer bewußt vollzogenen (geplanten) Aktion ist ein Verhalten eine Reaktion, eine Reflexbewegung oder wenn wir auf eine Gefahr unmittelbar (ohne überlegen zu müssen) instinktiv richtig reagieren. Ein bloßes Verhalten ist es auch, wenn uns im Rahmen eines bewußten Handelns aus Versehen etwas passiert, was wir nicht vorausgesehen und beabsichtigt haben. Da als definitorisches Unterscheidungsmerkmal einer Handlung wohl nur die Absichtlichkeit in Frage kommt, sind extreme Formen eines Empirismus kaum akzeptabel, die den Menschen auf sein beobachtbares Verhalten reduzieren (Behaviorismus). Ernstzunehmen sind dagegen nicht reduktionistische Formen eines Physikalismus (Davidson), die Absichten annehmen, diese aber nicht als grundsätzlich verschieden von physikalischen Ereignissen behandeln, sondern ihnen eine naturgesetzliche, kausale Wirksamkeit zuschreiben (mental causation). - Die Unterscheidung von Vorgängen, Verhalten, Handlungen ist idealtypisch. Vegetative Vorgänge können bei psychosomatischen Heilungen von bewußten Wünschen beeinflußt werden. Da ein unbeabsichtigtes Verhalten oft im Kontext eines bewußten Handelns steht, können wir handelnd eingreifen und seine Wirkungen abzufangen versuchen. Ist der explizite Einsatz von Werkzeugen als Mittel zu einem Ziel bei einem Schimpansen bereits eine Handlung oder doch nur ein Verhalten, da das vermeintliche Ziel der unmittelbaren Daseinserhaltung dient?

 

C. Tiere verhalten sich bloß, indem sie mit ihrem genetisch bedingten, artspezifischen Verhaltensmuster auf die Anforderungen der jeweils gegenwärtigen Situation, d.h. auf die augenblicklichen Umweltsignale, so reagieren, wie es die Selbst- und Arterhaltung für die unmittelbare Zukunft erforderlich macht (Reiz-Reaktions-Schema). Allein der Mensch vermag planvoll seine Zukunft zu gestalten, indem er in seinen Absichten ein künftig zu erreichendes Ziel vorwegnimmt und sein gegenwärtiges Handeln im Hinblick darauf bewußt gestaltet. Dies erlaubt ihm, grundsätzlich beliebig weit für die Zukunft zu sorgen, auch wenn er faktisch um kurzfristiger augenblicklicher Vorteile willen irreparable Zukunftsschäden riskiert. Da die Zukunftsorientierung (die Ausrichtung auf ein künftig zu erreichendes Ziel) das Spezifikum menschlichen Handelns ausmacht, würde die Aufforderung zur Achtsamkeit, mit der ganzen geistigen Aufmerksamkeit allein auf das gegenwärtige Tun zu achten, das menschliche Handeln auf ein tierisches Verhalten reduzieren. Angesichts dessen, daß nahezu alles, was wir tun, sich sowohl als ein Mittel auf ein außerhalb seiner selbst liegendes Ziel auffassen läßt, als auch etwas in sich selbst Wertvolles (ein Ziel in sich) ist, meint diese Aufforderung wohlverstanden: Wir dürfen unser jeweils gegenwärtiges Tun nicht bloß als ein möglichst schnell zu durchlaufendes Durchgangsstadium zu immer weiteren Zielen auffassen, weil wir sonst die gegenwärtige als die einzig uns geschenkte Zeit verlieren, sondern müssen auf jene Züge unseres Tuns achten, die es zu etwas in sich Schätzenswertem und die Zeit so zu einer erfüllten machen.- Neben den prozessualen Tätigkeiten oder den sich aus einer Sukzession von Phasen aufbauenden Ereignissen, die als Mittel auf ein außerhalb ihrer selbst liegendes Ziel gerichtet sind, gibt es nach Aristoteles auch die reinen Akte (Sehen, intuitives Erkennen, Glücklichsein), die Ziel und Wert in sich haben. Solche Akte, die nur Ziel in sich sind, bilden beim Menschen die Ausnahme. Sogar Tätigkeiten wie das Sehen, die selbst Akte und keine Prozesse sind, dienen ihm doch oft als Mittel innerhalb eines größeren prozessualen Zusammenhangs.

 

D. Vom Standpunkt einer inneren Selbsterfahrung aus ist kaum zu bestreiten, daß wir unser Handeln als durch Absichten bestimmt verstehen. Die einzige ernsthafte Streitfrage ist, in welcher Form sie unser Handeln bestimmen. Die Intentionalisten glauben: Absichten als etwas Sinnhaftes, Verstehbares müssen kraft begrifflich zu erfassender Sinnzusammenhänge wirken, wie sie der schon von Aristoteles entwickelte praktische Syllogismus beschreibt. Dessen Obersatz nennt die Absicht, der Untersatz die Auffassungen des Handelnden über die Mittel, die zu ihrer Verwirklichung geeignet seien; an die Stelle des Schlußsatzes tritt ein entsprechendes Handeln. Solche logischen Zusammenhänge seien kategorial von den kausalen verschieden (blinde Naturwirksamkeit). - Aber derartige begriffliche Zusammen­­hänge sind unausweichlich allgemein und können daher wohl nur erklären, warum einer sich zu einer bestimmten Art des Handelns entschlossen hat. Warum aber eine Einzelhandlung an einem bestimmten Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt innerhalb des realen Geschehensablaufs aufgetreten ist, vermag offenbar nur eine reale kausale Wirksamkeit zu erklären, wenn eine Absicht und die Überzeugung, wie sie zu realisieren sei, zu einem bestimmten Zeitpunkt motivierend wirken. Ein praktischer Syllogismus kann nur eine allgemeine Handlungsmaxime, nicht ein einzelnes Handeln begründen. - Da einer durch dieselbe Körperbewegung u.U. verschiedene Absichten realisieren kann, hängt die Klassifikation der Handlung, welche Art der Handlung er vollbracht hat, wohl davon ab, welche seiner Absichten nicht bloß zu diesem Zeitpunkt latent vorhanden war, sondern ihn aktuell zu diesem Verhalten motiviert hat, also kausal gewirkt hat.

 

E. Absichten können aber keine Ereignisse im Sinne von Naturereignissen sein, die ihrerseits von anderen Ereignissen verursacht sind. Denn unsere rechtliche und moralische Praxis, daß wir den handelnden Menschen für sein absichtsvolles Tun verantwortlich machen, ist nur sinnvoll, wenn der Mensch nicht bloß wie ein Naturding das Substrat ist, an dem sich die Absicht ereignet (als mentales Ereignis vorkommt), sondern wenn er als Subjekt irgendwie ihr Ursprung ist. - Daß Absichten von ganz anderer Art (viel komplexer) als Naturereignisse sind, ergibt sich auch daraus, daß sie in wenigstens drei Formen dafür ausschlaggebend sein können, daß etwas ein Handeln und kein bloßes Tun ist. 1.) Die Absicht richtet sich auf ein bewußtes Ziel, d.h. ein vorausgesehenes und gewolltes Ergebnis, um dessentwillen ich mein Tun beginne. 2.) Absichtsvoll sind auch die mir zwar bewußten, aber an sich unerwünschten (Neben)wirkungen eines Tuns, ohne das ich ein gewünschtes Ziel nicht erreichen kann. 3.) Im Falle eines fahrlässigen Handelns kann schließlich sogar beim Fehlen einer bewußten Absicht ein zu verantwortendes Handeln und kein bloßes Verhalten vorliegen, sofern das Wissen hätte vorhanden sein können und sollen (Privation).

 

F. Da es wichtig ist zu unterscheiden, ob eine Absicht lediglich als ein irgendwann zu realisierender Wunsch vorhanden ist oder ob sie mich zu meinem augenblicklichem Tun motiviert, müssen wir den Absichten wohl zumindest ein Analogon zur Kausalität zuschreiben. Damit ergeben sich aber Schwierigkeiten, wie eine ursächliche Wirksamkeit möglich ist, die von einem Bereich in einen anderen übergreift (Mentales, Physisches), obgleich beide Bereiche offenbar je eigenen Gesetzen gehorchen. Die materialistische Lösung, es liege grundsätzlich nichts anderes als eine Naturkausalität vor, da das mentale Ereignis letztlich mit dem sich gleichzeitig abspielenden Gehirnprozeß identisch sei, vermag kaum die bevorzugte Wissenssituation zu erklären, in der wir aus unserer Innenperspektive heraus nicht nur unseren Absichten selbst, sondern auch deren kausaler Wirksamkeit gegenüber befinden. Während wir für die Prognose unseres Verhaltens wie jeder äußere Beobachter auf öffentlich zugängliche Beobachtungsdaten (über unser Reaktionsvermögen etc.) angewiesen sind, sagen wir unsere Handlungen voraus, weil wir wissen, daß unsere Absichten bei gegebener Situation handlungsmotivierend wirken werden. Zumal die Selbstkontrolle eines komplexen Tuns wie z.B. des Orgelspielens verlangt ein Vorauswissen dessen, was ich im gleich folgenden Moment tun werde, das auf meiner unmittelbaren Kenntnis des handlungsmotivierenden Wirkens meiner Absichten im jetzigen Augenblick beruht. Allein eine solche vorausplanende Selbst­kontrolle ermöglicht ein schöpferisches Gestalten, das aus dem menschlichen Musizieren eine Handlung macht anstatt einer bloßen Bewegungsabfolge, die von einem Automaten reproduzierbar ist. Diese einzigartige epistemische Sitution, daß ich auch vom handlungs­motivierenden Wirken meiner Absichten ein unmittelbares, zweifelsfreies Wissen aus der Ich-Perspektive habe, wäre kaum erklärbar, wenn es sich bloß um einen Fall von Natur­kausalität handelte, dessen Träger ich bin, und ich nicht als Subjekt ihr Urheber wäre.

 

G. Angesichts unserer Fragestellung, ob sich beim menschlichen Handeln ein mentales Moment aufweisen läßt, das sich nicht in naturalistischen Kategorien erklären läßt, ist es methodisch legitim, wenn wir uns auf solche Phänomene stützen, wie die unmittelbare Vertrautheit mit unseren eigenen Absichten aus der Ich-Perspektive oder die Fähigkeit zu schöpferischem Gestalten, bei denen eine befriedigende naturalistische Erklärung kaum abzusehen ist. Damit ist nichts darüber behauptet, welche Bedeutung bewußte Absichten für das faktische Tun des Menschen haben, welcher Anteil seines Verhaltens ein absichtsvolles Handeln ist und in welchem Umfang eine Handlung auch irrational motiviert sein kann. Unter den unbewußten Motiven sind die meisten wohl befriedigend naturalistisch erklärbar (triebhaftes Verhalten, eingeübte Motorik etc.). Bei den tiefenpsychologischen Phänomenen, daß etwas vom Bewußtsein nicht Bewältigtes ins Unterbewußte verdrängt wird, mögen auch mentale Eigentümlichkeiten eine Rolle spielen, hier sind wir aber auf vage Vermutungen angewiesen. - Das akausale Verhalten im Bereich der Mikrophysik stellt nur die negative Vorbedingung für das schöpferische Moment unseres Handelns dar, daß wir etwas gestalten, neue Ordnungen zu entwerfen vermögen, macht aber das positive Schaffen neuer Ordnungen nicht erklärbar.

 

H.  Da ein Naturalist aus einem Methodenmonismus, nur das mit den empirischen Forschungsmethoden einer positiven Wissenschaft Erfaßbare sei eigentlich wißbar und wahrheitsfähig, auf eine monistische Ontologie schließt, daß nur das so Wißbare eigentlich wirklich sein könne, kann er die Intentionalität, d.h. die eigentümlich mentale Fähigkeit, sich im Erkennen, Fühlen und Wollen auf Gegenstände auszurichten, nicht als eine eigenständige, unreduzierbare Wirklichkeit anerkennen. Die Versuche, die Intentionalität zu naturalisieren, d.h. auf etwas physikalisch Erklärbares zurückzuführen, sind aber wenig erfolgreich. Das Unterfangen, die Intentionalität als eine Relation zwischen der denkenden, fühlenden usw. Person und ihren intentionalen Gegenständen zu verstehen, scheitert daran, daß man sich intentional auch auf Nichtseiendes richten kann (z. B. illusionäre Hoffnungen). In diesem Fall sind die Relate anders als bei physischen Relationen nicht unabhängig voneinander und von der Relation vorgegeben. Wer aber versucht, das intentionale Sichausrichten auf Künftiges mit der Disposition gleichzusetzen, sich künftig in bestimmter Weise zu verhalten, der übersieht, daß wir uns bei Entscheidungen intentional auf zahlreiche (zunächst nur theoretisch erwogene) Handlungsmöglichkeiten beziehen (ausrichten), denen keine Verhaltensdisposition entspricht, ehe wir uns nicht für etwas entschieden haben.

 

I. Angesichts der Schwierigkeiten, die Intentionalität zu naturalisieren, sind Naturalisten wie Quine bereit zuzugeben, sie sei unreduzierbar, ziehen daraus aber den Schluß, daß sie eine Illusion sein müsse, jedenfalls nicht im eigentlichen ontologischen Sinne wirklich sein könne. So gesteht Quine zu, daß intentionale Ausdrücke in der Alltagssprache einen gewissen praktischen Nutzen haben können. Aber die kanonische Wissenschaftssprache, die allein für das Erkennen der Wirklichkeit bedeutsam sei, müsse auf alles schmückende intentionale Beiwerk verzichten. So gibt die indirekte Rede für ihn nicht gemeinte Inhalte wieder, was etwas Intentionales wäre, sondern physische Realisierungen einzelner Ausdrücke. Diese Position ist aber letztlich nicht in sich selbst stimmig. Denn die für sie zentrale Unterscheidung zwischen einer Wissenschaftssprache, die ontologisch verpflichtet, bestimmte Entitäten als seiend anzuerkennen, und einer ontologisch nicht verpflichtenden Alltagssprache kann nicht an physikalisch faßbaren Merkmalen festgemacht werden, sondern nur an der inneren Einstellung des Sprechers, was er durch seine Rede zu erreichen und mitzuteilen intendiert (objektive Wahrheit oder lebensweltliche Orientierung), also gerade an der von Quine bestrittenen Intentionalität.

 

J. An sich vorgegebenen Gesetzen (Paradigma: Naturgesetzen) unterliegt etwas, unabhängig davon, ob und inwieweit es diese Gesetze versteht. Demgegenüber ist das Regelbefolgen etwas Aktives: Im eigentlichen Sinne kann nur der eine Regel (Paradigma: Sprachregel) befolgen, der sie versteht oder zumindest grundsätzlich dazu befähigt ist, der mithin ein reflexives Bewußtsein hat, daß er weiß, was er tut, indem er eine Regel befolgt, der somit die Fähigkeit besitzt, sich selber eine solche Regel zu geben. (Regeln werden stets von vernünftigen Wesen für ihresgleichen festgesetzt.) Von da aus können wir Dennetts Annahme einer als-ob-Intentionalität begegnen. Es sei sinnvoll, erklärungskräftig und beim gegenwärtigen Wissensstand unentbehrlich, komplexen Systemen wie Personen intentionale Bestimmungen zuzuschreiben, ohne daß wir uns dadurch ontologisch festlegen, tatsächlich so etwas wie intentionale Zustände anzunehmen. So können wir auch das Verhalten eines Schachcomputers erfolgreicher voraussehen und ihm begegnen, wenn wir so tun, als ob der Computer Schachregeln befolgen könne und Gewinnabsichten habe, als wenn wir sein Funktionieren naturgesetzlich zu erklären versuchen. Aber ein solches pragmatisches Voraussetzen einer als-ob-Intentionalität läßt sich sehr wohl von einer genuinen Intentionalität unterscheiden. Der Computer kann lediglich ein Regelbefolgen imitieren, indem er nach Regeln oder einem Programm operiert, das ihm von außen vorgegeben ist. Eines echten Regelbefolgens ist er unfähig, weil es ein reflexives Bewußtsein voraussetzt, kraft dessen er nicht nur die Regeln seines Tuns verstehen könnte, sondern auch grundsätzlich befähigt wäre, sich selbst neue Regeln zu geben, also ein verbessertes Programm zu entwerfen.

 

 

 

 

 

 

Kap. 3: Handlungsbeschreibungen

 

A. Wenn wir bei einem Vorgang (ein Jäger erschießt einen Menschen im Glauben, es sei ein Reh) die beiden verschiedenen Handlungsbeschreibungen ‘ein Lebewesen erschießen’ und ‘einen Menschen erschießen’ geben, bezeichnen wir dann in beiden Fällen dieselbe wirkliche Einzelhandlung, der unter verschiedenen Beschreibungen verschiedene, ja einander widersprechende Eigenschaften zukommen (absichtlich - unabsichtlich), oder ist die bezeichnete Realität in beiden Fällen verschieden (nicht völlig deckungsgleich)? Eine Handlung liegt jedenfalls bei beiden Beschreibungen vor. Denn ihr muß nur überhaupt eine Absicht zugrundeliegen, es braucht nicht das tatsächliche Resultat beabsichtigt zu sein. Die verschiedenen Handlungsbeschreibungen, die wir von einem Tun geben, können z.T. durch die ‘indem’-Beziehung (by-relation) in einen Ordnungzusammenhang gebracht werden (Handlungsbaum). Diese Relation ist transitiv, irreflexiv (nicht selbstbezüglich) und asymmetrisch (unumkehrbar): Ich vollziehe eine komplexere Handlung, indem ich eine elementare Körperbewegung mache, nicht umgekehrt. Bezeichnen die verschiedenen Beschreibungen eines Handlungsbaumes, wenn wir einen Vorgang einmal als Naturereignis (Fingerkrümmen am Gewehrabzug), einmal als absichtsvolles Handeln beschreiben (Erschießen eines Lebewesens) dasselbe wirkliche Einzelereignis? Davidson bejaht dies; ein Unterschied liege nur in der Beschreibung vor, die enger und weiter sein könne. Zunächst scheint plausibel, daß wir dasselbe Einzelne aus verschiedenen Perspektiven betrachten können, indem wir einen weiteren oder engeren Ausschnitt seiner Eigenschaften erfassen. Bei Einzelsubstanzen zeigt sich: Die Möglichkeit, dasselbe wirkliche Einzelne in verschiedenen partiellen, mehr oder minder umfassenden und bedeutsamen Gegebenheitsweisen zu erfassen, setzt voraus, daß in beiden Beschreibungen derselbe Artbegriff impliziert ist; es geht wesentlich um dieselbe Art von Individuum, das nur in verschiedenen seiner wesentlichen Existenzweise beiläufigen Situationen betrachtet wird. Die Behauptung, die Beschreibung als Naturereignis und als absichtsvolles Handeln bezeichneten dieselbe Wirklichkeit, setzt damit eine natura­listische Position voraus. Die Identität läßt sich nämlich nur so rechtfertigen: Die mentalen Bestimmungen, die allein bei der umfassenderen Beschreibung als absichts­volles Handeln, nicht aber bei der engeren als naturales Ereignis erfaßt werden, sind beiläufig; das Neue, das sie bedeuten, begründet keine verschiedene Form der Realität, sondern ist lediglich eine Ausdifferenzierung der grundlegenden physischen Wirklichkeit.

 

B. Da durch mentale Fähigkeiten allererst jene sozialen, gesellschaftlichen und institutionellen Bezüge möglich werden, in die das menschliche Handeln gestellt ist, liegt dasselbe Problem vor, wenn wir fragen, ob eine Beschreibung als natürliches Ereignis (Tatsache) und als institutionelle Tatsache gleichgesetzt werden dürfen. Bei dieser Beschreibung sind bestimmte durch menschliche Konventionen gestiftete Einrichtungen implizit vorausgesetzt, nicht nur, damit der beschreibende Ausdruck bedeutungsvoll ist, sondern auch, damit die beschriebene Realität in dieser Form möglich ist. Angesichts dessen, wie stark das Denken, Fühlen und Verhalten des Menschen von seinen selbstgeschaffenen Institutionen geprägt ist, ist schwer einzusehen, inwiefern dies keine andersartige über das Naturale hinausgehende Realität ist. (Ereignisse werden von nominalisierten Verben bezeichnet; eine Tatsache (stärker abhängig von der sprachlichen Formulierung) ist das, was vorliegen muß, damit eine Aussage wahr ist.)

 

C. Plausibler ist die Gegenannahme: Bei einem Handlungsbaum lassen sich drei so bedeutsam unterschiedene Stufen feststellen, daß wir berechtigt annehmen können, hier seien nicht bloß die Beschreibungen, sondern die beschriebene Wirklichkeit unterschieden: Körperbewegungen, mittels derer die Handlung ausgeübt wird, Handlung, Handlungsfolgen. Hierbei brauchen wir nicht dualistisch die Körperbewegung als physisches Ereignis mit der Handlung als mentales Ereignis zu verbinden. Die Körperbewegungen (als Materie der Handlung) sind insofern real unabhängig, als sie ohne Absichten auftreten können. Sie sind aber von ihnen real ungeschieden innerhalb der Handlung, die eine zugleich physische wie mentale Realität ist: ein von Absichten geprägtes (geformtes) körperliches Verhalten. Ferner müssen wir vom Ergebnis, das ein integrierender Bestandteil der Handlung selbst ist, die bloß äußerlich, d.h. kausal mit der Handlung verbundenen Folgen unterscheiden. Der Vorschlag, das Ergebnis sei der physische Vorgang (Fensteraufgehen), der begrifflich-logisch mit der als solcher mentalen Handlung (Fensteröffnen) zusammenhängt, hilft wenig verstehen und ist zudem dualistisch. Da die Absicht ein Verhalten zu einer Handlung macht, ist es plausibel anzunehmen, daß die Absicht auch abgrenzt, wie weit die Handlung reicht (so wie sie ja auch den rechtlich zu verantwortenden Straftatbestand abzugrenzen hilft). Das tatsächlich eingetretene Resultat einer Handlung ist folglich dann als Ergebnis zur Handlung selbst zu rechnen und legt damit fest, welche Art von Handlung vollzogen wurde, wenn es beabsichtigt war, sonst ist sie bloß die der Handlung äußerliche Folge. Dabei spielt keine Rolle, ob das Resultat sich unausweichlich oder (wie zuallermeist) nur wahrscheinlich aus den unmittelbaren Körperbewegungen des Handelnden ergibt. Wichtig ist, die unvorhersehbaren Folgen, die sich bloß faktisch aus der Handlung ergeben haben, aber in keiner Weise zur Handlung gehören, von den Folgen zu unterscheiden, die hätten gewußt und verhindert werden können und sollen (Privation einer Absicht). Auch wenn diese kein Moment der Handlung selbst sind, gehören sie doch zu ihr, sind mithin zu verantworten. - Daß eine Handlung unbeabsichtigte Folgen haben kann, liegt daran, daß der physische Aspekt einer Handlung in ein Netz vielfältiger kausaler Beziehungen gespannt ist, die mit der Absicht nichts zu tun haben. Der mentale Aspekt der Handlung ist gleichfalls nur aus einem weitverzweigten Geflecht interpersonaler Beziehungen (sittlicher, politischer, wirtschaftlicher etc. Natur) heraus zu verstehen. Daß solche interpersonalen Beziehungsnetze mit naturalen, also kausalen koinzidieren, ist schwer möglich (im Unterschied zu den von Davidson unterstellten linearen Kausalreihen).- Da eine Handlung sich aus einer psysischen und einer mentalen Komponente konstituiert, kann man, statt der Differenzierung, die vom tatsächlichen (physisch geschehenen) Resultat ausgehend zurückfragt, wie weit es der handlungs­motivierenden Absicht entspricht, umgekehrt fragen, in welchem Grad die Absicht physisch durch das Handeln realisiert wurde. Auch hier sind drei Stufen zu differenzieren; beim Beispiel des Mordes: Mordabsicht, versuchter Mord, Mord. Dabei wird deutlich: Das Ergebnis kann durchaus kontingent und damit von außen verhinderbar mit dem unmittelbar von der Absicht motivierten Tun zusammenhängen. Dennoch gehört es zur Handlung selbst. Die Klassifikation der Handlung als Mord oder versuchter Mord hängt nämlich davon ab, ob das beabsichtigte Ergebnis (Tod des Opfers) tatsächlich eingetreten ist, mag dies sogar nach dem Tode des Täters geschehen, so daß er auf das Ergebnis keinen Einfluß mehr nehmen kann.

 

D. So wie es bei Körpern nicht-inklusive Ganze gibt (Stoffe wie Wasser), die sich aus gleichartigen (räumlichen) Teilen aufbauen und die bei einem relativ beliebigen Wegfall von Teilen dennoch dieselbe Art Körper bleiben, und inklusive Ganze, wie namentlich Lebewesen, die ganz bestimmte verschiedenartige Teile voraussetzen (einschließen), ohne die sie nicht dieselbe Art Einzelnes sein könnten, lassen sich analog auch die Tätigkeiten im Verhältnis zu ihren zeitlichen Teilen differenzieren. Während homogene Tätigkeiten (wie das Gehen) keine bestimmten Teile einschließen, setzen die Handlungen wenn nicht alle, so doch wenigstens die konstitutiven unter den verschiedenartigen Teilen voraus, aus denen sie sich normalerweise aufbauen. So wie ich vom Menschen z.B. bestimmte Körperteile entfernen kann und er bleibt dennoch ein (wenngleich vielleicht verstümmeltes) Individuum derselben Art Mensch, während andere Teile nicht fehlen dürfen, können auch bei einer Handlung bestimmte normalerweise im Verlauf einer derartigen Handllung auftretende Momente wegfallen und sie bleibt doch eine (wenn auch verkürzte) Handlung dieser Art. Die beiden Eckpfeiler, ohne die eine Handlung dieser Sorte nicht vorzuliegen vermag, sind: Die Absicht, ein bestimmtes Ziel durch unser Handeln zu verwirklichen, als Ursprung unseres Handelns, und die schließliche Realisation dieses Zieles als Ergebnis unseres Tuns. Eckpfeiler sind sie auch insofern, als sich von ihnen her bestimmt, welche sonstigen Handlungsmomente noch unentbehrlich sind.

 

E. Die Interpretation der untersten Handlung eines Handlungsbaumes als grundlegende Handlung (basic action) impliziert bei der feinkörnigen Sicht, nach der jede Handlungsbeschreibung eines Baumes eine real verschiedene Handlung bezeichnet: Die elementare Körperbewegung ist die eigentliche Handlung, die alle weiterreichenden Handlungen hervorbringt und auf die sich diese zurückführen lassen. Bei der grobkörnigen Sicht (Davidson), nach der im Handlungsbaum nur sprachlich verschiedene Handlungsbeschreibungen dieselbe Wirklichkeit bezeichnen, ist die grundlegende Handlung sogar die alleinige Handlung: Alles, was wir tun, ist, daß wir unter entsprechenden Umständen eine elementare Körperbewegung vollziehen; die weiter­reichenden Ergebnisse, die in den höheren Handlungsbeschreibungen genannt sind, kommen durch die hierdurch ausgelöste Naturkausalität zustande. Die Plausibilität dieser Konzeption hängt aber daran, daß wir beim Abstieg innerhalb des Handlungsbaumes mittels der Frage, wodurch oder wie die komplexer beschriebene Handlung vollbracht wurde, zu einer nicht bloß relativ elementaren, sondern schlechthin ursprünglichen Handlung gelangen. Mit welchem Recht kann Davidson z.B. ein Fingerkrümmen als primitive action behandeln, obgleich wir die Frage, wodurch er seinen Finger krümmte, sinnvoll stellen und beantworten können: indem er Sehnen und Muskeln zusammenzog? Die einzig mögliche Erwiderung ist wohl, daß nur das Fingerkrümmen, nicht aber das Zusammenziehen der Muskeln ein absichtsvolles Handeln sein kann, weil die der Absicht zugrundeliegende Intentionalität, daß ich mich bewußt (in meiner Aufmerksamkeit) auf etwas richte, sich nur auf Bewegungen der sichtbaren Organe, nicht aber auf die ihnen zugrundeliegenden Muskelvorgänge richtet. Solche Selbstbeobachtungen sind aber unsicher. Denn ebenso berechtigt könnte man argumentieren: Wenn wir mittels einer Körperbewegung eine komplexere Handlung vollbringen, so richten wir unser geistiges Augenmerk allein auf das zu erzielende Ergebnis, während die Bewegungen in einer eingeübten Motorik fast automatisch vollführt werden. Deshalb ist es wohl überzeugender, die Körperbewegungen, die auch ein nicht absichtsvolles Verhalten oder ein Teil davon sein können, auch dann nicht als (Teil)handlungen zu bewerten, wenn sie als Momente innerhalb eines absichtsvollen Handelns auftreten. Dann sind sie bloß die der Handlung ermöglichend zugrundeliegende Materie, die erst durch eine Absicht, die sich auf ein über sie hinausgehendes Ziel richtet, zur Handlung geformt wird. Nur solche Momente einer umfassenderen Handlung sollten als ihre Teilhandlungen gelten, die auch für sich nie ohne Absicht geschehen können.

 

F. Bei einem Aufstieg innerhalb eines Handlungsbaumes mittels der Warum-Frage gelangen wir zu immer komplexeren, weiterreichenden Ergebnissen, die auch zeitlich später auftreten. Zu einem Zeitpunkt vor Erreichen des endgültigen Ergebnisses liegen, da das Ergebnis für die Handlungsart wesentlich ist, nur die elementareren Handlungs­arten vor (z.B. Erschießen als Treffen mit einem Geschoß), aber noch nicht die höchste (Töten). Da wesentlich von der Handlungsart abhängt, was die einzelne Handlung ist, bedeuten verschiedene Handlungsarten verschiedene Realitäten. Es gilt nicht: Da in diesem Einzelfall das Erschießen ein Töten ist, sind es nur verschieden weit reichende Beschreibungen derselben Realität. Da ein Treffen mit einem Geschoß kein Töten zu sein braucht, erfassen wir mit ‘Töten’ eine weiterreichende Realität. Somit erfassen wir erst in der höchsten Handlungsbeschreibung die eigentliche, weil ganze Wirklichkeit der Handlung und in den niedrigeren nur Teilwirklichkeiten. Die hier erforderliche eindeutige Abgrenzbarkeit ist gewährleistet, wenn wir von dem zur Handlung selbst gehörenden Ergebnis  die mit ihr nur zusammenhängenden Folgen unterscheiden. Hier läßt sich der grundsätzlich beliebig fortsetzbare Aufstieg nicht-willkürlich beenden.

 

G. Wenn zwei Handlungsbeschreibungen eine verschiedene zeitliche Dauer implizieren, so ist dies eine hinreichende Bedingung dafür, daß sie real verschiedene Handlungen bezeichnen, weil die unterschiedliche Dauer darauf verweist, daß verschiedene Ergeb­nisse zu erreichen sind. Hingegen ist eine unterschiedliche Zeitdauer oder sonst ein physi­kalisch erfaßbarer Unterschied wohl keine notwendige Bedingung real unter­schiedener Handlungen. Denn sonst könnte ein und dieselbe reale Einzelhandlung unter der einen Beschreibung (‘Töten eines Lebewesens’) absichtlich, unter der anderen (‘Töten eines Menschen’) aber unabsichtlich sein. Dann könnte allenfalls die Absichtlichkeit überhaupt eine reale Eigenschaft sein, die aus einem Ereignis eine Handlung macht, der bestimmte Inhalt der Absicht demgegenüber wäre eine denominatio extrinseca, d.h. bloß eine bestimmte Form, denkend und sprechend auf etwas Bezug zu nehmen, die aber keine Wirklichkeit im Subjekt selbst bedeutet. In der juristischen Einordnung, in der sich das lebensweltliche Selbstverständnis des Handelnden von seinen Handlungen spiegelt, kann aber auch die bestimmte Absicht (einen Menschen zu töten) dafür ausschlaggebend sein, welche Handlungsart vorliegt. Da eine Art keine bloß logische Einordnung ist, sondern wesent­lich bestimmt, was ein Einzelnes ist, kann bei Artverschiedenheit kein real identisches Einzelnes vorliegen. Weil eine Handlung ein von einer Absicht, also einem mentalen Moment, geformtes und verursachtes physisches Ereignis ist, können zwei Beschreibungen, die ein physisch nicht zu unterscheidendes Einzelereignis in verschiede­ne mentale Zusammenhänge einordnen, doch real Verschiedenes bezeichnen, zwei verschiedene Handlungen oder eine Handlung und die mit ihr nur zusammenhängende Folge.

 

H. Für beide Verwendungsweisen von ‘Absicht’ ist das Zukunftsmoment konstitutiv: Explizit ist es, wenn sich die Absicht im Sinne des Beabsichtigens auf ein künftiges eigenes Tun bezieht. Aber auch wenn die Absicht auf das gegenwärtige Tun bezogen wird als das Moment, das ein absichtsvolles Handeln von einem unbeabsichtigten Tun unterscheidet, ist die Zukunftskomponente als Zielorientierung gegeben, daß ich mein gegenwärtiges Tun auf ein erstrebtes Ziel ausrichte, das kraft meines gegenwärtigen Handelns künftig wirklich werden soll. Beide Verwendungen hängen systematisch zusammen: Ein absichtsvolles Tun ergibt sich anders als ein bloßes Verhalten nicht erst aus der gegenwärtigen Situation, sondern war schon zuvor geplant oder beabsichtigt. Umgekehrt liegt im Beabsichtigen ein Zielmoment. Daher verbinden wir mit ‘ich beabsichtige zu ...’ Beschreibungen nicht so sehr von Handlungen, die bloß als Mittel zu einem äußeren Ziel dienen, als vielmehr von einem erfolgreichen Tun oder von etwas durch mein Tun Erreichtes. - Ein Wunsch bezieht sich auf jeden für erstrebenswert gehaltenen Zustand, auch einen, der nur von anderen Menschen oder von außermenschlichen Faktoren zustandegebracht werden kann, ja sogar einen, dessen Unrealisierbarkeit mir bewußt ist. Beabsichtigen kann ich hingegen nur das, zu dessen Zustandekommen ich erstens den entscheidenden Beitrag zu leisten habe und das ich zweitens für prinzipiell realisierbar halte. Da eine Absicht nicht auf das beschränkt ist, dessen Realisierung allein von mir abhängt, der beabsichtigte Erfolg meines Tuns vielmehr auch von äußeren Faktoren bedingt ist, braucht mit der Absicht nicht die Überzeugung verbunden zu sein, daß ich sie mit hoher Wahrscheinlichkeit realisieren werde; es reicht, sie prinzipiell für realisierbar zu halten, indem ich von den genauen Realisations­bedingungen absehe. Über die Realisierbarkeit einer Absicht kann ich mich täuschen, darüber aber, ob ich eine Absicht habe oder nicht, ist mir aus der Ich-Perspektive keine Täuschung möglich, nur anderen kann ich eine Absicht vortäuschen, wenn ich etwas zu beabsichtigen vorgebe, das ich für faktisch nicht realisierbar halte. - Eine Absicht läßt sich nicht auf einen inneren mentalen Zustand reduzieren. Als Form, die das Verhalten oder die äußere physische Wirksamkeit eines Menschen bestimmt, läßt sie sich oft von einem Beobachter aus der Außenperspektive feststellen. Ein absichtlich  handelnder Selbstmörder verhält sich auch äußerlich anders als einer, der aus Versehen Gift zu sich nimmt. - Eine Absichtserklärung und eine Voraussage eines eigenen Tuns haben zwar oft dieselbe sprachliche Form, so daß nur der sprachliche und der reale Kontext zu unterscheiden erlaubt, welche dieser beiden Sprachhandlungen vorliegt. Dennoch ist ihr logischer Status sehr verschieden. Damit eine Absichtserklärung wahrhaftig ist, braucht (anders als bei einer wahren Prognose) das Beabsichtigte nicht tatsächlich einzutreten, da auch eine ehrliche Absicht bei geänderter Sachlage oder neuen Einsichten aufgegeben werden kann. Eine Prognose über ein eigenes Tun bedarf ferner ebenso wie die über ein fremdes eine objektive Bestätigung aus bereits bestehenden Tatsachen. Einer Absicht (die auch, wenngleich nicht ausschließlich, ein innerer mentaler Zustand ist) bin ich mir dagegen unmittelbar bewußt.

 

I. Daß ich mir meiner Absicht unmittelbar und zweifelsfrei bewußt bin, gilt nicht nur für ein beabsichtigtes künftiges Tun, sondern auch für mein absichtsvolles gegenwärtiges Handeln, bei dem ich mir sowohl dessen bewußt sein muß, was genau ich tue, als auch worumwillen ich es tue. Beides bedingt sich: Um mein gegenwärtiges Tun auf ein künftig dadurch zu erreichendes Ziel beziehen zu können, muß ich wissen, was genau ich tue. Umgekehrt beziehe ich jedes bewußte Handeln angesichts seines wesentlich teleologischen Charakters stets auf ein künftiges Ziel. Die Warum-Frage ist damit ein angemessenes Kriterium, die Absichtlichkeit eines (bereits vorliegenden) Tuns zu prüfen, da man sich hier stets bewußt ist, worumwillen oder warum man es tut. Umgekehrt weist man bei einem unabsichtlichen Tun die vorwurfsvolle Frage, warum man dies getan habe, mit der Entschuldigung zurück, man habe nicht gewußt, was man da getan habe. Eine Begründung (Rechtfertigung) setzt ein bekanntes Faktum voraus und bezieht sich daher auf ein Tun immer nur unter der Beschreibung, unter der es bekannt war. - Der Mensch kann sein Tun unmöglich unter all den zahllosen Beschreibungen kennen, die auf es zutreffen. Nicht nur solche Aspekte seines Tuns sind ihm unbekannt, die das weitere Umfeld und weitreichende, viel später eintretende Wirkungen betreffen. Auch zahlreiche Aspekte seines unmittelbaren Tuns und der davon betroffenen Personen und Gegenstände bleiben ihm verborgen. All die Aspekte eines Tuns, die nicht zum Zeitpunkt des Tuns selbst bereits voll bewußt sind, sondern erst (u.U. viel) später bekannt werden, können aber nicht absichtlich sein. Da unbestreitbar dasselbe Tun nur unter einigen Beschreibungen, unter denen es dem Handelnden beim Tun selbst bereits bekannt ist, absichtlich, unter zahlreichen anderen dagegen unbekannt und daher unbeabsichtigt ist, ist die Konsequenz unvermeidlich: Die (inhaltlich) bestimmte Absicht und die darin vorausgesetzte Kenntnis des Tuns (unter der Beschreibung, unter der es absichtlich sein soll) ist keine dem Tun selbst innewohnende Wirklichkeit, kein reales Moment des Tuns, sondern nur eine Beschreibung von außen. Die Konsequenz können wir ohne Schaden anerkennen, wenn wir das Tun lediglich als eine physische Wirksamkeit eines Menschen betrachten, die entweder ein bloßes Verhalten oder die naturale Seite des Handelns darstellt, und vom Handeln als einer von der Absicht geprägten und bestimmten physischen Wirksamkeit unterscheiden. Für ein Tun ist es generell gleichgültig, unter welcher der Beschreibungen der Tuende es im Augenblick des Tuns kennt, ja, ob er es überhaupt unter irgendeiner Beschreibung kennt; für das Tun ist die Absicht stets eine äußere Denomination. Auch für eine Handlung sind nicht alle Unterschiede in den Beschreibungen relevant, sondern nur die, die eine verschiedene Absicht bedingen. Da eine Absicht wesentlich auf das Ziel bezogen ist, bedeutet das: Wenn ein Tun unter zwei Beschreibungen betrachtet auf dasselbe Ziel bezogen werden kann und zwar in genau derselben Weise, dann liegt ein und dieselbe Absicht und damit dieselbe Handlung vor. Das Tun unter dieser Detailbeschreibung zu kennen ist daher für die Handlung nicht relevant. - Das gleiche Tun kann, je nachdem unter welcher Beschreibung es gewußt und beabsichtigt wird, Handlungen ganz verschiedener Art darstellen, freilich nur, wenn es zwei numerisch verschiedene Akte sind. Ein numerisch identisches Tun kann nicht zwei Handlungen verschiedener Art darstellen, die a forteriori zwei numerisch verschiedene Einzelhandlungen sind. Vielmehr gilt hier: Nur die Aspekte eines einzigen Tuns, die beim Tun schon gewußt waren, gehören zur Handlung selbst, die immer nur so weit reicht, wie die Absicht. Die erst nachher bekannt gewordenen handlungsrelevanten Aspekte (z.B. daß der von Ödipus erschlagene Mensch sein Vater war) hätten zwar, wären sie zuvor bekannt gewesen, eine andere Handlungsart begründet, so aber machen sie nur die Handlungsfolgen aus. Handlungsfolgen in diesem Sinne sind alle nicht von der Absicht bestimmten Momente des Tuns, es brauchen keine zeitlich später eintretenden Wirkungen zu sein.

 

J. Indem ich absichtsvoll etwas tue, verfolge ich damit zugleich eine weiterreichende Absicht (further intention), die von der nächsthöheren Handlungsbeschreibung des Handlungsbaumes angegeben wird. Indem diese weiterreichende Absicht die Warum-Frage bezüglich der elementareren Handlung beantwortet, stellt sie deren Ziel dar, das in der Regel zeitlich später eintritt. Mit derselben Art Handlung (Schießen) können verschiedenartige Ziele (Töten, Warnen) verfolgt werden. So wie die komplexere höhere Handlung die elementarere (niedere) als Teilmoment in sich befaßt, ergibt sich aus der weiterreichenden Absicht (die in der höheren Handlungsbeschreibung angegeben ist) die voraufliegende Absicht. Die These, die Absicht sei wesentlich auf ein Ziel ausgerichtet, das ich durch mein gegenwärtiges absichtsvolles Tun künftig zu verwirklichen suche, besagt damit offenbar, daß jede Absicht in einer weiterreichenden Absicht gründet, und führt somit zu einem unendlichen Regreß. Dieser ist aber dadurch vermieden, daß es nicht nur solche Handlungsarten wie das Schenken gibt, mit dem wir in jedem Falle eine über dieses Tun hinausgehende Absicht verbinden, sondern auch solche Handlungsarten wie das Freudemachen, die Ziel in sich selbst sein können. Fraglich ist, ob es Arten von Handlungen gibt, die niemals anders denn als Selbstzweck erstrebt werden können, oder ob unter menschlichen Bedingungen schlechthin jedes Ziel auch als Teilziel aufgefaßt werden und damit als Mittel einem äußeren Zweck dienstbar gemacht werden kann. Ein Regreß ist aber bereits vermieden, wenn etwas faktisch als Letztabsicht verfolgt wird, auch wenn damit prinzipiell noch eine weitergehende Absicht verbunden werden könnte.

 

K. Für die Absichtlichkeit reicht nicht die von außen feststellbare tatsächliche Zweckdienlichkeit, die auch bei einem tierischen Verhalten vorliegen kann, sondern seitens des Tuenden ist ein Zielbewußtsein vorausgesetzt, sowie die Annahme, das gegenwärtige Tun sei als Mittel zu diesem Ziel geeignet. Auch wenn man sich in dieser für eine Absicht vorauszusetzenden Annahme objektiv täuschen kann, kann man sich nicht subjektiv darüber täuschen, welche Absicht betreffs des Tuns und seines Zieles man hat. Da eine eigentliche Absicht ein explizites Zielbewußtsein voraussetzt, das einem Kleinkind noch fehlt, sollten wir, um die elementaren kindlichen Körperbewegungen und Äußerungen wie das Schreien nicht als (quasi-tierisches) Verhalten ansehen zu müssen, Grade an Absichtlichkeit entsprechend zu den Graden bewußter Zielausrichtung anerkennen. Ein Kind würde so im Laufe der Bewußtseinsbildung allmählich in das menschliche Handeln hineinwachsen. - Als zielbewußt muß eine Absicht auch willentlich sein. Auch die absichtlich in Kauf genommenen unerwünschten, aber notwendigen Mittel zu einem erstrebten Ziel sind zwar nicht an sich, wohl aber bedingt gewollt. Das Unwillkürliche ist immer auch unbeabsichtigt, selbst wenn es wie ein zwanghaftes Verhalten im Augenblick des Tuns bereits bewußt ist. - Die reinen (Zukunfts)absichten (die nicht auf das gegenwärtige Tun bezogen sind) sind kraft des Willensmomentes den Wünschen nahe, unterscheiden sich aber in der Verbindlichkeit, daß eine ernstliche Absicht (anders als ein Wunsch) nur bei einem gewichtigen Grund aufgegeben wird. In der Absicht liegt mithin die für das Mentale typische reflexive Struktur vor, daß man sich vor sich selbst bindet; dies macht eine Gleichsetzung der Absicht mit einem kausal erklärbaren Naturereignis sehr implausibel.